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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Dunst vor dem Bug des
Schiffes, die Stirn in nachdenkliche Falten gelegt. Dann nickte
er, und ein Ausdruck von sanftem Spott erschien auf seinem
Gesicht. »Oh, das«, sagte er. »Das nennt man Nebel, Andrej.«
Abu Dun sog scharf die Luft durch die Nase ein, und Andrej
beeilte sich, an seiner statt zu antworten. »Ja, von diesem Phänomen habe ich gehört«, erwiderte er ebenso spöttisch. »Selbst in
meiner Heimat soll man es schon einmal gesehen haben. Aber
noch nie auf hoher See und bei so starkem Wind.«
»In unserem Land ist manches anders als bei euch«, erwiderte
Thure mit einer wegwerfenden Geste. »Aber es besteht kein
Grund zur Beunruhigung. Umso mehr jedoch zur Eile.« Er
nickte zu den beiden Rudern. »Jetzt könnt ihr zeigen, ob ihr
wirklich so stark seid.«
Halsstarrig wollte Andrej seine Frage nach der Herkunft des
Nebels noch einmal wiederholen, doch Abu Dun hatte anscheinend nur auf sein Stichwort gewartet. Mit einem abfälligen
Grunzen schloss er die Hände fester um das Ruder, tauchte es
ein und zog es mit einer so kraftvollen Bewegung durch das
Wasser, dass ein spürbarer Ruck durch das Schiff ging und es
für einen winzigen Moment zur Seite krängte. Einige der Krieger wandten überrascht den Kopf und starrten ihn verblüfft und
ungläubig an, während Thure nur anerkennend die Lippen
schürzte.
»Teilt euch eure Kräfte lieber ein«, riet er kopfschüttelnd.
»Wir werden eine Weile rudern müssen.«
»Warum?«, fragte Andrej.
»Weil der Wind in wenigen Augenblicken nachlässt«, erwiderte Thure mit einer Geste auf das Segel über ihren Köpfen.
»Und das weißt du im Voraus?«, erkundigte sich Andrej, während auch er sein Ruder ins Wasser tauchte. Überall auf dem
Schiff taten die Männer jetzt dasselbe, und das Boot schoss
durch die Wellen.
»Aber du hast es doch gerade selbst gesagt«, erklärte Thure lächelnd. »Nebel und Sturm zur gleichen Zeit – das ist schwer
vorstellbar, nicht wahr?« Er amüsierte sich einen Moment
unverhohlen über Andrejs verblüfften Gesichtsausdruck (der
allerdings eher der Unverschämtheit dieser Antwort galt), dann
wandte er sich wieder um und ging zu einer freien Ruderbank.
Ganz wie Abu Dun und Andrej nahm auch er allein darauf Platz,
um die Arbeit von zwei Männern zu tun.
Und ganz, wie er gesagt hatte, vergingen nur wenige Augenblicke, bis der Wind abflaute und das Segel plötzlich schlaff und
nass von der einzelnen Rahe hing. Das Schiff verlor trotzdem
kaum an Schwung, denn es wurde jetzt von einem Dutzend
großer und kraftvoll ins Wasser getauchter Ruder bewegt, und
die Nebelbank kam nicht nur rasch näher, sondern schien mit jedem Moment dichter zu werden.
Nur aus einem Gefühl heraus sah Andrej sich noch einmal um,
gerade, als der geschnitzte Drachenkopf die graue Wolke berührte, und für einen winzigen Moment hatte er den Eindruck,
tatsächlich etwas zu sehen. Er konnte nicht sagen was, es war zu
weit entfernt, zu schnell verschwunden, zu unscharf, um es mit
den Augen festhalten zu können.
Dann verschlang der Nebel das Schiff, und die Welt ringsum
wurde grau. Kalte Nässe legte sich wie ein unsichtbares, eisiges
Tuch über ihre Gesichter und begann augenblicklich zu gefrieren. Die Luft, die Andrej atmete, hatte plötzlich einen bitteren
Beigeschmack.
»Rudert!«, rief Thure. Der Nebel, der immer dichter wurde,
dämpfte seine Stimme und schien ihr alle Höhen, aber auch
nahezu alles Menschliche zu nehmen. Trotzdem: War da ein
Zittern wie von Furcht darin?
Andrej schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich
stattdessen darauf, das Ruder mit raschen, gleichmäßigen Bewegungen ins Wasser zu tauchen, zurückzuziehen und wieder zu
heben. Obwohl sie erst seit wenigen Augenblicken in der Nebelbank waren, fuhren sie fast blind. Der feuchte Dunst war so
dicht, dass er nicht einmal mehr das ganze Schiff überblicken
konnte. Der hochgezogene Bug mit dem Drachenkopf und die
vorderen zwei oder drei Ruderbänke waren verschwunden, als
hätte etwas in dem unheimlichen Nebel sie ins Nichts aufgelöst.
»Rudert!«, rief Thure noch einmal. Diesmal war Andrej sicher,
Panik in seiner Stimme zu vernehmen. Der Takt der Ruderschläge wurde schneller, und das Schiff beschleunigte noch
mehr.
Und etwas … kam.
Andrej überkam ein Gefühl, dass er nicht in Worte kleiden
konnte. Etwas näherte sich, und es war etwas Großes, Altes und
unendlich Mächtiges. Nervös sah er sich um, doch auch seine
scharfen Augen erblickten nicht

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