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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und winkte aufgeregt mit beiden Armen.
Andrej verfluchte sich abermals dafür, sein Schwert nicht mitgenommen zu haben, und rannte so schnell zu ihr, wie er nur
konnte. Schon von Weitem konnte er erkennen, dass sie schreckensbleich geworden war und am ganzen Leib zitterte. Er
rannte schneller und wäre im taufeuchten Gras um ein Haar
ausgerutscht. Als er sie endlich erreichte, hätte er beinahe laut
aufgelacht.
Urd sah aus, als wäre ihr gerade einer der Dämonen begegnet,
von denen sie so ausführlich gesprochen hatte. Seine Nähe
schien sie nicht zu beruhigen, sondern im allerersten Moment
nur noch mehr zu erschrecken. Ihre Augen waren schwarz vor
Angst.
Was vor ihr im Gras lag, das war allerdings nicht mehr als …
ein totes Schaf.
Andrej blinzelte. Doch das Schaf blieb ein Schaf. Es musste
schon zu Lebzeiten in einem erbärmlichen Zustand gewesen
sein, ausgemergelt und räudig, aber es blieb ein totes Schaf.
»Urd?«, fragte er. »Was hast du?«
»Aber … aber siehst du es denn nicht?«, murmelte Urd. Ihre
Stimme zitterte, und trotz des Entsetzens, mit dem sie der
Anblick erfüllte, gelang es ihr nicht, den Blick vom Kadaver des
Tieres loszureißen.
»Ein totes Schaf, ja«, sagte er. »Wahrscheinlicher hat es einer
der Hunde gerissen, von denen du mir erzählt hast.« Er bekam
keine Antwort, ließ sich in die Hocke sinken und besah sich das
verendete Tier genauer, und plötzlich verstand er Urds Reaktion
besser. Erstaunt stellte er fest, dass das Tier in verrenkter Haltung lag, den Kopf so weit in den Nacken gelegt, dass sein Genick nur gebrochen sein konnte. Weißer Schaum stand vor seinem Maul, und wo einmal Augen gewesen waren, gähnten jetzt
nur leere, blutige Höhlen.
Andrej tauschte einen fragenden Blick mit Urd, beugte sich ein
wenig vor und berührte das Schaf vorsichtig mit der Hand. Der
Körper war noch warm und Andrej fühlte die gleiche, seltsame
Spannung wie auf der Lichtung, eine Spannung, die ihm Übelkeit verursachte.
Er setzte gerade an, etwas zu sagen, als er einen krächzenden
Schrei hörte und mit einem Ruck den Kopf hob. Aber es war nur
ein Rabe – wenn auch ein außergewöhnlich großes Tier mit
einem Ehrfurcht gebietenden Schnabel und prächtigem, blauschwarzem Gefieder – der auf einem Baumwipfel über ihnen
saß und sich wahrscheinlich über die Konkurrenz ärgerte, die
ihm das geschenkte Festmahl streitig zu machen drohte. Er
wandte sich wieder dem Schaf zu.
»Das war kein Hund«, murmelte Urd. Ihre Stimme war flach
und fremd.
»Nein«, gestand Andrej widerwillig. Auch ihn erschreckte der
Anblick mehr, als er es sollte. Er hatte Schlimmeres gesehen in
seinem Leben. Viel Schlimmeres. Aber der Zustand dieses
Schafes versetzte ihn in Unruhe. Kein Raubtier sollte seine Beute so reißen.
Andrej kämpfte das flaue Gefühl im Magen nieder und zwang
sich, das tote Tier genauer zu untersuchen. Zumindest auf den
ersten Blick konnte er keinerlei Verletzungen erkennen. Es verströmte einen fremdartigen, scharfen Geruch, und als er es kräftiger packte, bewegte sich sein ganzer Körper wie ein Schlauch,
in dem Wasser hin und her schwappte, wenn man ihn anstieß. Es
war, als hätte es keinen einzigen Knochen im Leib, nicht einmal
mehr Muskeln und Fleisch; eine leere Hülle, die nur noch von
Haut und räudigem Fell zusammengehalten wurde.
Andrej stieß es mit dem Fuß an, der Kopf rollte herum, und ein
Schwall einer bräunlichen, widerlich riechenden Flüssigkeit
schoss aus seinem Maul. Urd fuhr mit einem würgenden Laut
herum und schaffte es gerade noch, sich nicht zu übergeben. Der
Rabe krächzte schadenfroh.
»Du hast recht«, presste er mühsam hervor. »So etwas kann
kein Hund.«
»Aber welches Tier tut so etwas?«, flüsterte Urd.
    Wenn es überhaupt ein Tier war, dachte Andrej. Eine Antwort
auf ihre Frage wusste er allerdings auch nicht. Er zuckte ratlos
mit den Schultern, atmete tief ein, um das flaue Gefühl endgültig niederzukämpfen, und sah sich noch einmal aufmerksam um.
Dann sah er die Spuren: eine Reihe großer, weit auseinanderliegender Abdrücke, die sich im feuchten Gras schon beinahe
aufgelöst hatten. Andrej kniete nieder und fand schließlich einen
Abdruck im weichen Boden darunter, dessen Umrisse noch zu
erkennen waren. Er sah nicht aus wie eine Wolfsfährte – ganz
gewiss nicht! –, aber er konnte auch nicht sagen, an was ihn die
Form erinnerte. Vielleicht ein Huf, oder auch eine Klaue oder
Kralle … und doch war der Abdruck zu

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