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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fort. »Die Menschen, die dort früher gelebt haben,
sollen mit Dämonen im Bunde gewesen sein. Angeblich mussten sie ihnen Menschenopfer darbringen. Und als sie nicht mehr
genug aus ihren eigenen Reihen aufbringen konnten, sagt man,
fingen sie an, Schiffe aufzubringen und ihre Nachbarn zu
überfallen, um an mehr Menschen zu kommen, die sie den
Dämonen opfern konnten.«
»Und deshalb haben deine Leute sie angegriffen und das Dorf
niedergebrannt«, vermutete Andrej.
Urd hielt inne. Sie wirkte überrascht, dass er davon wusste,
nickte aber schließlich und ging weiter. »Nicht nur mein Volk.
Fünf Könige schickten ihre Krieger. Es gab eine große Schlacht,
aber am Ende haben sie gesiegt und das Dorf der Dämonen
niedergebrannt. Doch das ist lange her. Ich war damals noch ein
Kind, genau wie Björn und Thure – auch wenn es sich so anhört,
als hätten sie allein die Schlacht gewonnen, wenn sie davon
erzählen. Und was die Dämonen angeht …« Sie hob die
Schultern. »Ich glaube nicht an Geister und Dämonen.«
Das tat Andrej auch nicht – jedenfalls nicht auf die Art, auf die
Urd das Wort verstehen mochte, aber ihre Geschichte ergab für
ihn dennoch Sinn … wenn man aus Dämonen Menschenhändler und aus Opfern Sklaven machte. Wie weit musste er noch reisen,
damit dieser Wahnsinn endlich ein Ende hatte?
Er zwang sich, an etwas anderes zu denken. »Aber wenn deine
Leute an den Fluch glauben, warum ist dein Bruder dann trotzdem dorthin gefahren?«
»Weil er ein Dummkopf war«, antwortete Urd zum wiederholten Mal. »Und gierig. Es gibt dort Gold und andere Schätze –
sagt man – und er wollte wohl auf Schatzsuche gehen. Außerdem liegt die Insel auf halbem Wege nach Grünland. Wahrscheinlich wollte er dorthin – habe ich schon erwähnt, dass
Lasse ein schrecklicher Dummkopf war?«
»Das schrecklich ist neu«, sagte Andrej. »Was ist dieses
Grünland?«
Urd setzte gehorsam zur Antwort an, aber Andrej brachte sie
mit einer hastigen Geste zum Schweigen. Sofort prallte er zurück und duckte sich, denn vor ihnen öffnete sich der Wald
plötzlich zu einer halbrunden Lichtung, auf der knöchelhohes,
saftiges Gras von kräftigem Grün wuchs, das Andrej in dieser
Kraft noch nie gesehen hatte. Erneut überkam ihn das Gefühl
von Fremdheit und Gefahr, dieses Mal noch drängender als das
erste Mal, aber ebenso flüchtig. Jetzt aber traute Andrej seinen
Sinnen, und für einen winzigen Moment, viel zu kurz, um sicher
sein oder es gar erkennen zu können, glaubte er etwas zu sehen;
einen Schatten, riesig, bedrohlich und so seltsam ungelenk, doch
so schnell, dass er sich seinen Blicken entzog, lange bevor er ihn
wirklich hatte erfassen können. Seine Hand zuckte zum Gürtel
und suchte nach seiner Waffe, die er unten im Dorf zurückgelassen hatte.
»Was?«, fragte Urd alarmiert.
Andrejs Blick tastete aufmerksam über die Lichtung und den
gegenüberliegenden Waldrand. Er erkannte tanzende Schatten,
hörte seltsame Geräusche, die er nicht einzuordnen wusste, aber
nichts, was ihn an das eben Gesehene erinnerte.
»Was hast du, Andrej?«, fragte Urd noch einmal.
»Nichts«, antwortete Andrej. »Ich bin anscheinend ein bisschen nervös, das ist alles.«
Er musste Urd nicht ansehen, um zu spüren, dass sie ihm nicht
glaubte. Aber sie sagte nichts, trat stattdessen mit einem schnellen Schritt an ihm vorbei und auf die Lichtung hinaus.
Andrej hielt unwillkürlich die Luft an, aber es war nur das
rasche, in den Augen schmerzende Aufflammen ihres Haares, das
sich in flüssiges Gold zu verwandeln schien, als sie ins Sonnenlicht hinaustrat. Er folgte ihr, hielt aber nach einem Schritt inne,
um sich aufmerksam und mit klopfendem Herzen umzublicken.
Die Lichtung war und blieb leer, aber er meinte trotzdem die
Erinnerung an eine Anwesenheit, fremd und feindlich, zu spüren,
die sich wie feiner Dunst auf seine Haut legte.
Urd sagte etwas, doch er achtete nicht auf sie. Er drehte sich
noch einmal im Kreis und sah sich aufmerksam und mit allen
Sinnen lauschend um. Langsam näherte er sich der Stelle, an der
er den Schatten zu sehen geglaubt hatte. Er fand nichts. Keine
Spuren im Gras, keine abgerissenen Äste oder zertretenes Laub,
aber er spürte mit seinem ganzen Körper, schmerzhaft heftig,
dass etwas hier gewesen war.
» Andrej! «
Urds Schrei ließ ihn erschrocken herumfahren. Sie stand am
anderen Ende der Lichtung, nur ein paar Schritte von der Stelle
entfernt, an der er sie zurückgelassen hatte,

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