Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
wortlosen Nicken. Dann sah er es: Urd lag nicht mehr
bewusstlos da. Sie hatte sich aufgesetzt, wenn auch nur ein
kleines Stück. Jemand hatte ihr ein Kissen unter den Nacken
geschoben, um sie zu stützen, und als sie Andrej sah, erschien
sogar ein Lächeln auf ihrem blassen Gesicht.
»Urd!« Andrej stürmte vorwärts und wäre in seiner Hast, zu
ihr zu kommen, beinahe über seine eigenen Füße gestolpert. In
Urds Lachen erschien eine Spur des gewohnten Spotts, aber
Andrej sah auch, wie blass und krank sie unter diesem Lächeln
war. Behutsam lauschte er in sie hinein und berührte ihre Seele.
Ihre Lebensflamme brannte ruhig und stetig, aber sehr schwach.
Umso überraschter war er, in ihren Augen Verwirrung zu
lesen. Aber es konnte doch nicht sein, dass sie seine lautlose
Berührung gespürt hatte … oder?
»Andrej!« Sie versuchte, sich aufzusetzen, verzog dann aber
das Gesicht vor Schmerz und ließ sich zurückfallen. »Du machst
ein Gesicht wie sieben Jahre Regenwetter. So sagt man doch bei
euch, oder?«
»Sieben Tage«, korrigierte sie Andrej. »Sieben Jahre würde es
höchstens heißen, wenn du Abu Dun fragst. Und ich freue mich,
dich zu sehen. Ich war nur … überrascht.«
»Dass ich noch lebe?«
Andrej nickte, und nun lachte Urd tatsächlich, wenn auch nur
leise und kurz. »Du hast geglaubt, dass ich sterbe«, vermutete
sie. »Aber so leicht entkommst du mir nicht. Ich bin zäh, weißt
du?«
Werdandi hörte plötzlich auf zu schnarchen und hob mit einem
Ruck den Kopf. »Was tut ihr hier?«, fragte sie schmatzend und
noch halb verschlafen, aber schon wieder ebenso unleidlich wie
am Morgen. »Das Mädchen braucht Ruhe. Geht raus! Sofort!«
»Du hast sie gerettet!«, sagte Abu Dun.
»Es war der Wille der Götter, dass sie lebt«, beschied ihm die
alte Frau. »Uns Menschen ist es nicht gegeben, die Dauer
unseres Lebens zu bestimmen. Wir können nur versuchen, dem
Willen der Götter zu folgen, aber es steht uns nicht an, ihren
Ratschluss in Frage zu stellen.«
»Du hast recht, Mutter«, mischte sich Skuld ein. Sie legte
Werdandi beruhigend die Hand auf die Schulter und warf
Andrej einen raschen Blick zu, der ihn beruhigen sollte, und
fuhr in sanftem Ton fort: »Aber du musst auch müde sein.
Warum gehst du nicht und legst dich ein wenig schlafen? Ich
rufe dich, wenn ich deine Hilfe brauche.«
Werdandi blickte sie aus eng zusammengekniffenen, vor
Müdigkeit rot geränderten Augen an, und Andrej erkannte
schnell, wie leicht sie ihre Tochter durchschaute. Zu seiner
Überraschung blieb der erwartete Zornesausbruch der alten Frau
jedoch aus. Sie zog nur eine Grimasse, stand auf und machte
zwei kleine, mühsam schlurfende Schritte auf Abu Dun zu.
»Sag, bist du so groß und stark, wie du aussiehst, schwarzer
Mann?«, fragte sie.
»Ich glaube schon.« Abu Dun blinzelte verwirrt. »Warum?«
»Dann hilf einer alten Frau, nach Hause zu kommen«, antwortete Werdandi. Sie streckte dem riesigen Nubier eine faltige
Hand entgegen, die in seiner gewaltigen Pranke nahezu verschwand, und Andrej amüsierte sich einen Moment lang ganz
unverhohlen über Abu Duns Gesichtsausdruck. Fast hätte er laut
aufgelacht. Aber schließlich ergab sich der Riese mit einem
Seufzer in sein Schicksal und geleitete die alte Frau zur Tür.
Andrej sah ihm kopfschüttelnd nach, und er gab sich keine
Mühe, sein Grinsen zu unterdrücken, als er sich wieder Urd
zuwandte.
»Ich glaube, ich kenne jetzt ihr Geheimnis. Ich würde mich
auch nicht trauen zu sterben, wenn sie es mir verbietet.«
Urd lachte leise, und auch Skuld stand nun auf und schenkte
ihm ein mildes Lächeln. »Du musst meiner Mutter nachsehen,
wenn sie manchmal etwas … unwillig zu sein scheint. Sie ist alt,
und die letzten Stunden waren sehr anstrengend für sie.«
»Und es gefällt ihr, sich stachelig wie ein Seeigel zu geben«,
fügte Urd hinzu.
»Aber sie hat dich gerettet.«
»Sie und der Wille der Götter«, sagte Skuld. »Ich lasse euch
jetzt einen Moment allein. Aber verlang nicht zu viel von Urd.
Sie ist noch sehr schwach.«
»Keine Sorge«, versprach Andrej. »Ich bleibe nicht lange.«
»Das wird sich zeigen«, sagte Urd drohend. »Du bleibst schön
hier. Ich kann im Moment nicht so gut laufen, weißt du?«
Andrej blickte fragend, und Urd fügte mit todernstem Gesicht
hinzu: »Was, wenn dir wieder jemand nach dem Leben trachtet,
und ich bin nicht da, um dich zu retten?«
Andrej lachte zwar, aber er hörte selbst, wie unecht

Weitere Kostenlose Bücher