Das Dampfhaus
Sie können sich aber, bemerkte ich, doch nicht auf so große Entfernungen hin verständigen?
– Das nicht, erwiderte der Ingenieur, aber sie spüren einander; ja, ihr Geruchsinn ist so sein, daß z. B. zahme Elephanten das Vorhandensein von wilden sogar auf drei bis vier Meilen Entfernung wittern.
– Das ist ja eine wahre Völkerwanderung! sagte da Oberst Munro. Seht nur da, hinter unserem Zuge, eine ganze Heerde, vertheilt zu Gruppen von zehn bis zwölf Elephanten, welche alle gleichmäßig einhertraben. Wir werden unsere Fahrt etwas beschleunigen müssen, lieber Banks.
– Der Stahlriese leistet, was er kann, Munro, entgegnete der Ingenieur. Wir haben fünf Atmosphären und guten Zug, aber die Straße ist zu steil.
– Weshalb sollen wir denn so besonders eilen? meinte Kapitän Hod, den die ganze Geschichte weidlich amüsirte. Die liebenswürdigen Thiere mögen uns doch begleiten, wenn ihnen dies Spaß macht. Das ist ja ein unseres Zuges ganz würdiges Gefolge. Rings war das Land verlassen – jetzt ist es das nicht mehr, und wir ziehen unter Escorte dahin, wie mächtige Rajahs!
– Wir wollen sie gewähren lassen, antwortete Banks, ja, ich wüßte auch gar nicht, wie wir sie hindern könnten, uns nachzufolgen.
– Das beunruhigt Sie doch nicht? fragte Kapitän Hod. Sie wissen ohne Zweifel, daß eine Heerde Elephanten minder gefährlich ist als ein einziger Tiger. Jene dort sind ja prächtige Kerle!… Lämmer, große Lämmer mit Rüsseln, weiter nichts!
– Aha, unser Freund Hod geräth wieder in Begeisterung! sagte Oberst Munro. Ich gebe gern zu, daß wir von jener Heerde nichts zu fürchten haben, so lange sie sich in gebührender Entfernung hält; wenn es den Lämmern aber einfallen sollte, uns auf dieser schmalen Straße zu überholen, so dürfte das ohne Beschädigung für das Steam-House wohl nicht abgehen.
– Vorzüglich, fügte ich hinzu, wenn sie Alle ganz in die Nähe unseres Stahlriesen kämen, weiß ich doch nicht, wie sie diesem begegnen würden.
– Sie würden ihn begrüßen, alle Wetter! rief Kapitän Hod. Sie würden ihn ebenso achtungsvoll begrüßen, wie seiner Zeit die Elephanten des Prinzen Gourou Singh!
– Ja, das waren aber zahme Elephanten, bemerkte der Sergeant Mac Neil.
– Richtig, erwiderte der Kapitän Hod, jene werden zahm werden, oder dürften bei dem Anblick unseres Elephanten vielmehr so sehr erstaunen, daß sie ihn erfurchtsvoll respectiren!«
Offenbar hatte unseres Freundes Enthusiasmus für den künstlichen Elephanten, »das aus den Händen des englischen Ingenieurs hervorgegangene Meisterwerk der Mechanik«, sich noch nicht vermindert, »Die Proboscidien übrigens – er hatte sich das Wort nun einmal angewöhnt – diese Proboscidien, fügte er hinzu, sind sehr intelligent; sie überlegen, urtheilen, vergleichen, sie verbinden ihre Gedanken und legen überhaupt fast eine menschliche Einsicht an den Tag.
– Darüber ließe sich doch streiten, antwortete Banks.
– Wie, darüber wäre noch zu streiten? rief Kapitän Hod. Da müßte man doch nicht in Indien gelebt haben, um so zu sprechen! Benutzt man denn nicht die schönen Thiere zu allerhand häuslichen Arbeiten? Giebt es einen zweibeinigen ungefiederten Diener, der ihnen gleichkäme? Ist der Elephant im Hause seines Herrn nicht zu jedem Dienste bereit? Ist Ihnen, Maucler, wohl bekannt, was die erfahrensten Schriftsteller über dieselben sagen? Wenn man denselben glauben darf, so ist der Elephant gegen Diejenigen, welche er liebt, geradezu zuvorkommend aufmerksam; er nimmt ihnen jede Last ab, holt für sie Blumen und Früchte, er sammelt Geld ein, wie z. B. die Elephanten der berühmten Pagode von Willenoor bei Pondichery; in den Bazars bezahlt er das Zuckerrohr, die Bananen oder Mangofrüchte, die er für sich selbst einkauft; in Sunderbund vertheidigt er die Heerden und das Haus seines Herrn gegen reißende Thiere; er pumpt Wasser in die Cisternen und führt die ihm anvertrauten Kinder mit größerer Sorgfalt spazieren als die beste Bonne in ganz England! Er nähert sich dem Menschen durch seine Erkenntlichkeit, denn sein Gedächtniß ist vorzüglich, und so vergißt er niemals die Wohlthaten, die man ihm zugewendet, freilich auch nicht die Neckereien oder üble Behandlung! Seht, meine Freunde, einen solchen Riesen an Humanität – ja, ich sage mit Absicht, an Humanität – könnte man nicht vermögen, ein unschuldiges Insect zu tödten. Einer meiner Freunde – das sind so Züge, die man nicht vergißt
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