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Das Dampfhaus

Das Dampfhaus

Titel: Das Dampfhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hörte das Zischen des Dampfes, der in die Cylinder eindrang. Die Maschine machte eine halbe Radumdrehung, eine mächtige weiße Dampfwolke stieg aus dem Rüssel auf. Die Menge war einen Augenblick zurückgewichen. Der Regulator wurde nun zur Hälfte geöffnet. Das Schnaufen des Stahlriesen nahm an Stärke zu und unser Zug begann sich durch die dichte Reihe der Hindus zu bewegen, die uns Platz zu machen nicht gewillt schienen.
    »Nehmen Sie sich in Acht, Banks!« rief ich da aus.
    Beim Herabbeugen über das Geländer der Veranda hatte ich gesehen, wie sich wohl ein Dutzend Fanatiker auf den Weg offenbar in der Absicht niederwarfen, sich von den Rädern der schweren Maschine zermalmen zu lassen.
    »Diese Dummköpfe! rief Kapitän Hod, sie sehen unseren Zug für den Wagen Jaggernaut’s an! Sie wollen sich von den Füßen des heiligen Elephanten zertreten lassen!«
    Auf ein Zeichen des Ingenieurs sperrte der Mechaniker den Dampfzufluß ab. Die quer über den Weg liegenden Pilger machten keine Miene, sich zu erheben. Rings um sie schrie und heulte die erregte Menge und ermuthigte sie durch allerlei Gesten.
    Die Maschine stand still. Banks wußte nicht, was er thun solle, und befand sich offenbar in Verlegenheit.
    Plötzlich kam ihm ein Gedanke.
    »Wir wollen doch sehen…!« sagte er.
    Er öffnete den Hahn, der zum Reinigen und Ausblasen der Cylinder diente. Sofort zischten mächtige Dampfstrahlen über den Boden hin, daß die Luft von dem Brausen erzitterte.
    »Hurrah! Hurrah! Hurrah! brach Kapitän Hod aus. Drauf los, Freund Banks, drauf los!«
    Dieses Mittel wirkte. Schreiend sprangen die freiwilligen Opfer auf, als der heiße Dampf sie traf. Zermalmen lassen wollten sie sich wohl, aber verbrühen nicht. Die Menge wich zurück und der Weg ward frei.
    Der Regulator wurde weit geöffnet und die Räder griffen tief in den Boden ein.
    »Vorwärts! Vorwärts!« drängte Kapitän Hod in die Hände klatschend und aus vollem Herzen lachend.
    In schnellem Tempo eilte der Stahlriese des Wegs dahin und verschwand bald den Blicken der vor Erstaunen sprachlosen Menschenmenge, wie ein Märchenwesen in einer Wolke von Dampf.
Achtes Capitel.
Einige Stunden in Benares.
    Nun lag die Landstraße also für das Steam-House offen – jene Straße, die uns über Sasseram am rechten Ufer des Ganges bis nach Benares führen sollte.
    Eine Meile von der letzten Haltestelle nahm die Maschine wieder einen gemäßigteren Gang an und legte etwa zweiundeinhalb Meilen in der Stunde zurück. Banks beabsichtigte denselben Abend fünfundzwanzig Meilen von Gaya zu rasten und die Nacht in Ruhe nahe der kleinen Stadt Sasseram zu verbringen.
    Im Allgemeinen vermeiden die Landstraßen Indiens soweit als möglich die Wasserläufe, welche Brücken nothwendig machen, deren Herstellung auf dem Alluvialboden des Landes große Kosten bedingt. Selbst an solchen Stellen, wo man einem Flusse oder Strome nicht aus dem Wege gehen konnte, fehlen sie doch noch häufig. Zwar findet man dann wenigstens eine Fähre, das alterthümliche unzureichende Auskunftsmittel, das zur Ueberführung unseres Zuges sicherlich nicht genügt hätte. Glücklicher Weise konnten wir desselben entbehren.
    Gerade an diesem Tage mußten wir nun einen bedeutenden Fluß, die Sone überschreiten. Oberhalb Rhotas aus seinen Quellflüssen Coput und Coyle entspringend, mündet derselbe etwa in der Mitte zwischen Arrah und Dinapore in den Ganges.
    Die Ueberfahrt ging außerordentlich leicht von Statten. Der Elephant verwandelte sich ganz von selbst in einen Wassermotor. Er stieg den sanft geneigten Uferrand hinab bis in den Fluß, schwamm auf dessen Fläche und die breiten Füße peitschten das Wasser wie die Schaufeln eines Rades, wobei er den Zug, der hinter ihm schwamm, nachschleppte.
    Kapitän Hod wußte sich vor Jubel kaum zu fassen.
    »Ein rollendes Haus! rief er einmal über das andere, ein Haus, das gleichzeitig ein Wagen und ein Dampfschiff ist! Nun fehlen ihm nur noch Flügel, um es in einen Fliegapparat zu verwandeln und den Luftraum zu durchmessen!
    – Das wird auch noch kommen, Freund Hod, sagte der Ingenieur ganz ernsthaft.
    – Ja, ich weiß, Freund Banks, antwortete ebenso ernsthaft der Kapitän, es wird noch Alles werden! Nur Eines nicht, nämlich, daß wir in zweihundert Jahren noch einmal unter den Lebenden weilen, um all’ diese Wunder zu schauen! Das Leben ist gar nicht alle Tage so angenehm, und doch wäre ich dabei, zehn Jahrhunderte zu leben – aus reiner Neugier!«
    Gegen

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