Das Dampfhaus
(S. 147.)
»Wollt Ihr, da die Luftspiegelung verschwunden ist, begann Banks, und mit ihr die ganze dichterische Begeisterung des Kapitän Hod verflogen zu sein scheint, nun vielleicht erfahren, worauf diese Erscheinung hindeutet?
– Sprechen Sie, Ingenieur! antwortete der Kapitän.
– Auf eine demnächstige Veränderung der Witterung, erklärte Banks, wir befinden uns übrigens in den ersten Tagen des Juni, welche stets klimatische Veränderungen herbeiführen. Der Wechsel des Moussons wird die periodische Regenzeit einleiten.
– Nun, lieber Banks, sagte ich darauf, sind wir nicht wohlverwahrt? Mag der Regen immer kommen! Und wenn’s ein diluvianischer wäre, dieser unausstehlichen Hitze ist er allemal vorzuziehen…
– Ihr Wunsch wird in Erfüllung gehen, bester Freund, antwortete Banks. Ich glaube, daß der Regen nicht mehr fern ist und wir bald am Südwesthorizonte die ersten Wolken werden aufsteigen sehen!«
Banks täuschte sich nicht. Gegen Abend belud sich der westliche Horizont mit Dunstmassen, eine Hindeutung darauf, daß der Mousson, wie es nicht selten zu geschehen pflegt, in der Nacht umspringen werde. Hier sandte uns der indische Ocean über die Halbinsel jene mit Elektricität gesättigten Dünste, gleich großen Schläuchen des Gottes Aeolus, die mit Unwettern und Stürmen gefüllt sind.
Während des Tages zeigten sich auch noch einige andere Erscheinungen, über welche kein Anglo-Indianer hätte im Unklaren bleiben können. Längs der Straße wirbelten vor unserem Zuge ganze Wolken sehr seinen Staubes her. Zwar mußte die jetzt etwas schnellere Bewegung der Räder – sowohl der unseres Motors, wie der beiden rollenden Häuser – Staub aufwirbeln, sicherlich aber nicht in solcher Intensität. Es sah aus wie eine Wolke von Flaumfedern, die eine in Thätigkeit gesetzte Elektrisirmaschine tanzen machte. Wirklich konnte man den Boden für einen ungeheueren Receptor ansehen, in dem das elektrische Fluidum sich seit mehreren Tagen schon angehäuft hatte. Uebrigens zeigte jener Staub eine merkwürdige gelbliche Farbe und in jedem Molekül desselbenglänzte ein leuchtendes Pünktchen. Dann und wann schien unser ganzer Zug sich mitten durch Flammen zu bewegen – freilich Flammen ohne Wärme, die aber weder durch ihre Färbung, noch durch ihre Lebhaftigkeit an das bekannte St. Elmsfeuer erinnerten. Storr erzählte uns, er habe mitunter Eisenbahnzüge zwischen einer Doppelwand solch’ leuchtenden Staubes dahinbrausen gesehen, und Banks bestätigte die Aussagen des Mechanikers. Während einer Viertelstunde konnte ich diese eigenthümliche Naturerscheinung durch die Lichtpforten des Thürmchens genau beobachten, von wo aus ich die Straße auf eine Strecke von fünf bis sechs Kilometer überblickte. Der baumlose Weg war staubig und von den senkrechten Sonnenstrahlen grell beleuchtet. Jetzt schien mir die Hitze der Atmosphäre fast die unserer Maschinenfeuerung zu übersteigen; jedenfalls war sie geradezu unerträglich, und ich halb erstickt, als ich unter dem Flügelschlage der Punka einige Athemzüge frischerer Luft schöpfte.
Abends gegen sieben Uhr hielt das Steam, House an. Die von Banks ausgewählte Haltestelle lag am Saume eines Waldes von prächtigen Banianen, der sich unübersehbar weit nach Norden zu erstreckte. Eine schöne Straße durchschnitt denselben und versprach uns für den folgenden Tag eine angenehmere Fahrt unter seinem hohen und ausgebreiteten Blätterdache.
Die Banianen, diese Riesen unter der Flora Indiens, sind wirkliche Großväter, man könnte sagen Häupter von Pflanzenfamilien, umringt von ihren Kindern und Kindeskindern. Aus gemeinschaftlicher Wurzel entspringend, erheben sich die letzteren rings um den Hauptstamm, mit dem sie sonst in keinerlei Verbindung stehen, während sie sich in der Höhe wiederum in dem väterlichen Gezweig verlieren. Sie machen unter dem dichten Blattwerke denselben Eindruck wie Küchlein unter den schützenden Flügeln der Glucke. Daher rührt der merkwürdige Anblick, den diese, oft mehrhundertjährigen Wälder darbieten. Die alten Bäume erscheinen wie isolirte Pfeiler, welche das ungeheuere Gewölbe tragen, dessen feinere Rippen sich auf junge Banianen stützen, die einst selbst zu Pfeilern werden sollen.
An diesem Abend richteten wir uns umfassender als gewöhnlich zum Rasten ein. Sollte der nächstfolgende Tag sich ebenso heiß zeigen wie der eben vergangene, so hatte Banks beschlossen, noch zu verweilen und nur während der Nacht zu
Weitere Kostenlose Bücher