Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dampfhaus

Das Dampfhaus

Titel: Das Dampfhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
liefern.
    – Sind Sie nun zufrieden, Herr Kapitän?
    – Mit Ihnen, lieber Freund, gewiß; mit mir leider nicht. Mein Pech ist noch nicht vorüber, ich werde das also noch abwarten müssen. Nun vorwärts!«
    Wir schlugen die Richtung nach dem Lagerplatz ein, von dem wir gegen drei Meilen entfernt sein mochten. Auf dem Wege, der sich durch die vielen Krümmungen der dichten Bambus-Dschungeln wand, gingen wir, Kapitän Hod und ich, nebeneinander. Goûmi, der die Jagdbeute trug, kam wenige Schritte hinter uns. Noch war die Sonne nicht verschwunden, aber durch große Wolken verschleiert, so daß man den Weg im Halbdunkel nur mühsam erkannte.
    Plötzlich ertönte aus dem Dickicht neben uns ein gewaltiges Brüllen. Mir erschien es so entsetzlich, daß ich wider Willen auf der Stelle stehen blieb.
    Kapitän Hod ergriff meine Hand.
    »Ein Tiger!« sagte er.
    Dann kam ein Fluch über seine Lippen.
    »Alle Donnerwetter Indiens! rief er, nun haben wir blos Hühnerschrot in den Flinten!«
    Das war leider nur zu richtig, denn wir Alle besaßen keine einzige Kugelpatrone.
     

    »Endlich!« rief Kapitän Hod. (S. 174.)
     
    Uebrigens würden wir kaum Zeit gehabt haben, die Gewehre damit zu laden. Schon zehn Secunden nach dem Gebrüll erschien das Thier vor dem Dickicht und stand mit einem einzigen Sprung zwanzig Schritte vor uns auf der Straße.
    Es war ein prächtiger Tiger von der Art, welchen die Hindus »Eater men« (Menschenfresser) nennen, und deren Wuth jährlich noch Hunderte zum Opfer fallen.
    Unsere Lage war schrecklich.
    Ich sah den Tiger an, ich verschlang ihn mit den Augen, und ich gestehe, daß mir die Flinte in den Händen zitterte. Jener maß etwa zehn Fuß in der Länge und hatte ein orangefarbenes Fell mit abwechselnd weißen und schwarzen Streifen.
    Er beobachtete uns ebenfalls. Sein Katzenauge leuchtete durch das Halbdunkel und mit dem Schweife peitschte er den Boden. Er duckte und erhob sich wieder wie zum Sprunge.
    Hod bewahrte seine gewöhnliche Kaltblütigkeit. Er hielt das Gewehr auf das Thier angelegt und murmelte nur mit einem gar nicht wieder zu gebenden Ausdruck:
    »Schrot Numero sechs! Einen Tiger mit Hüh erschrot zu schießen! Wenn ich ihn nicht in beide Augen treffe, sind wir…«
    Er kam nicht dazu den Satz zu vollenden. Der Tiger näherte sich, nicht in Sprüngen, sondern schleichenden Schrittes. Goûmi, der hinter uns kauerte, zielte ebenfalls auf denselben, seine Flinte enthielt aber nur Vogeldunst. Die meinige war gar nicht geladen. Ich wollte eine Patrone aus der Tasche holen.
     

    Hod hielt das Gewehr auf das Thier angelegt. (S. 176)
     
    »Nicht rühren! flüsterte mir der Kapitän zu; der Tiger würde springen, und dazu darf es nicht kommen!«
    Wir verhielten uns also alle Drei stumm und still.
    Langsam kam der Tiger heran. Den Kopf, den er früher bewegte, hielt er jetzt völlig still. Seine Augen starrten voraus, doch scheinbar mehr nach unten. Mit dem weit offenen Rachen, den er nahe der Erde hielt, schien er deren Ausdünstung aufzusaugen.
    Bald stand das furchtbare Thier kaum noch zehn Schritte vom Kapitän entfernt.
    Fest auf den Füßen und unbeweglich wie eine Statue, concentrirte Hod seine ganze Lebenskraft in den Augen. Der bevorstehende grauenhafte Kampf, dessen Ausgang Niemand vorhersagen konnte, machte ihm sicher kaum das Herz schneller schlagen.
    In diesem Augenblicke glaubte ich, der Tiger werde auf uns zuspringen.
    Er machte noch fünf Schritte. Ich mußte mich stark bezwingen, um nicht dem Kapitän zuzurufen:
    »So schießen Sie doch! Schießen Sie!«
    Doch nein, der Kapitän hatte es gesagt – und das war wohl auch unser einziges Rettungsmittel – er wollte dem Thier die Augen verbrennen; dazu mußte er es jedoch sehr nahe haben.
    Der Tiger machte noch drei Schritte und erhob sich zum Sprunge…
    Da ertönte ein gewaltiger Krach, dem fast augenblicklich ein zweiter Knall folgte.
    Die zweite Detonation kam aus dem Leibe des Thieres selbst her, das nach einigem Zucken und Schmerzgebrüll todt niedersank.
    »Wunder über Wunder! rief Kapitän Hod. Mein Gewehr ist also mit einer Kugel, und noch dazu mit einer explodirenden, geladen! O, dieses Mal danke ich Dir, Fox!
    – Ist es möglich?
    – Da, sehen Sie selbst!«
    Kapitän Hod schlug die Flintenläufe zurück und holte aus dem linken die Patrone heraus.
    Das war eine Kugelpatrone.
    Jetzt erklärte sich Alles.
    Kapitän Hod besaß eine Doppelbüchse und eine Doppelflinte, beide von demselben Kaliber. Aus Irrthum hatte

Weitere Kostenlose Bücher