Das Dampfhaus
Fox gleichzeitig die Büchse mit Jagdpatronen und die Flinte mit Explosionskugel-Patronen geladen. Wenn dieser Mißgriff gestern Abend dem Leoparden das Leben gerettet hatte, so rettete er heute das unsere.
»Ja wohl, sagte der Kapitän Hod, als ich das aussprach, und so nahe dem Tode bin ich fast noch nie gewesen!«
Eine halbe Stunde später waren wir am Halteplatz zurück. Hod ließ Fox rufen und berichtete das erlebte Abenteuer.
»Herr Kapitän, erwiderte der Diener, daraus geht hervor, daß ich vier Tage Arrest verdiene, da ich mich zweimal geirrt habe!
– Das mein’ ich auch, antwortete Hod, doch da mir Dein Irrthum den einundvierzigsten eingebracht hat, so ist es meine Absicht, Dir diese Guinee dafür anzubieten…
– Und die meinige, dieselbe anzunehmen!« fiel Fox ein, der das Goldstück in der Tasche verschwinden ließ.
So verlief also das erste Zusammentreffen des Kapitän Hod mit seinem einundvierzigsten Tiger.
Am Abend des 12. Juni hielten wir nahe einem unbedeutenden Flecken und fuhren am nächsten Morgen wieder weiter, um die hundertfünfzig Kilometer zurückzulegen, die uns noch von den Bergen Nepals trennten.
Vierzehntes Capitel.
Einer gegen Drei.
Noch wenige Tage, und wir gelangten zu den ersten Abhängen jener nördlichen Gebiete Indiens, die sich von Stufe zu Stufe, Hügel auf Hügel, Berg auf Berg bis zu den höchsten Spitzen der Erdkugel aufthürmen. Bisher zeigte der Boden eine leichte Unebenheit und eine so allmähliche Steigung, daß unser Stahlriese diese gar nicht zu bemerken schien.
Das Wetter blieb stürmisch, vorzüglich regnerisch, die Temperatur aber hielt sich in erträglichen Grenzen. Die Wege waren noch nicht schlecht, und die breiten Radkränze der Räder unseres Zuges rollten trotz dessen hohen Gewichtes bequem darüber hin. Zeigte sich irgendwo eine gar zu tiefe Spur, so genügte ein leichter Druck von Banks’ Hand auf den Regulator, durch den er etwas mehr von dem gehorsamen Fluidum zuströmen ließ, zur Bewältigung des Hindernisses. An Kraft fehlte es unserer Maschine ja bekanntlich nicht, und eine Vierteldrehung des Einlaßventils vermehrte ihre Stärke sofort um mehrere Dutzend Pferdekräfte.
Bis jetzt hatten wir in der That, sowohl die Art der Fortbewegung als auch den von Banks gewählten Motor nur zu loben, ebenso wie den Comfort unserer rollenden Häuser, vor denen immer ein neuer Horizont aufstieg, der sich vor unseren Augen veränderte.
Allmählich verschwand die grenzenlose Ebene, die sich vom Gangesthale aus bis nach den Gebieten von Audh und Rohilkande hin erstreckt. Im Norden bildeten die Riesengipfel des Himalaya einen Rahmen, gegen den die vom Südwestwind getriebenen Wolken anzukämpfen schienen. Noch vermochten wir zwar das pittoreske Profil jener Bergkette, die sich bis zur mittleren Höhe von achttausend Metern über das Meer erhebt, nicht zu erkennen; mit der Annäherung an die tibetanische Grenze wurde das Land aber nach und nach wilder und an Stelle der cultivirten Felder bedeckten nun dichte Dschungeln die Erde.
Auch die Flora dieses Theiles des Hindugebietes gewann einen anderen Charakter. Schon waren die Palmen verschwunden, um prächtigen Banianen und dichtbelaubten Mangobäumen, welche die schönste Frucht in ganz Indien liefern, Platz zu machen, und vor Allem den Bambusgruppen, deren Stengel sich garbenartig verbreitet bis hundert Fuß über den Erdboden erheben. Hier traten auch Magnolien auf, die mit ihren großen Blumen die Luft mit erquickendem Wohlgeruche erfüllten, herrliche Ahornbäume, verschiedene Arten von Eichen, Maronenbäume mit ihren gleich den Seeigeln spitzenbesäeten Früchten, Gummibäume, deren Milchsaft aus den geöffneten Gefäßen strömte, großblättrige Pinien aus der Gattung der Pandaneen und daneben, zwar bescheidener an Wuchs, aber leuchtender an Farbe, Geraniums, Rhododendrons und Lorbeerbäume, welche gleich einem Gartenbeete die Straße einfaßten.
Noch zeigten sich da und dort ein Dorf mit Stroh-oder Bambushütten, zwei bis drei inmitten größerer Bäume versteckte Farmen, aber schon durch meilenweite Zwischenräume von einander getrennt. Auch die Bevölkerung nahm mit der Annäherung an das Hochland merkbar ab. Ein grauer, dunstiger Himmel bildete den Hintergrund des ausgedehnten Landschaftsbildes, und fast unausgesetzt strömte ein heftiger Regen herab. Während der vier Tage vom 13. bis 17. Juni verschonte er uns kaum einen halben Tag. Wir mußten uns also im Salon des Steam-Houses aufhalten und
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