Das Dante-Ritual (German Edition)
ein. Der Mord an diesem Dekan verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Und was, bitte schön, ist gestern am Aasee los gewesen?“
Die Frage hatte Rensing gegolten.
„Schenken Sie den Journalisten reinen Wein ein, Tillack“, ordnete Strathaus an. „Was die Leiche aus dem Aasee betrifft, da lassen Sie sich bitte vom Kollegen Rensing ins Bild setzen.“
„Wessen Leiche hat man aus dem Aasee geborgen?“
Rensing starrte Jan Lohoff verblüfft an. Es war der erste Satz, den der Dozent im Beisein seines Anwalts von sich gegeben hatte.
*
Eva Kamp schloss die Wohnungstür auf und ging in die Küche, wo sie das Licht einschaltete, ans Fenster trat und dem Taxifahrer mit einem Wink zu verstehen gab, dass alles in Ordnung war. Der Taxifahrer hob eine Hand, dann fuhr er los.
Churchill gab ein beleidigtes Miauen von sich. Eva kramte eine Dose Whiskas aus dem Vorratsschrank, füllte Napf und Wasserschälchen und spielte kurz mit dem Gedanken, für sich selbst eine Flasche Wein zu öffnen, ließ es aber bleiben. Auch ohne Schlummertrunk fühlte sie sich unsagbar müde. Sie schaltete das Radio auf der Fensterbank ein, um die Elfuhrnachrichten zu hören, wechselte auf Antenne Münster und ließ sich für einen Moment am Küchentisch nieder.
Es war die erste Meldung.
„Wie das Polizeipräsidium Münster auf Anfrage des Senders am frühen Abend bestätigt hat“, berichtete der Nachrichtensprecher, „ist Professor Walter Beekmann, Dekan an der Westfälischen Wilhelms-Universität und Mitglied des Stadtrats, bereits am Samstagabend in seinem Haus in Münster tot aufgefunden worden. Er wurde Opfer eines Gewaltverbrechens. Des Weiteren ist am Sonntagnachmittag in einer spektakulären Polizeiaktion die Leiche eines jungen Mannes, dessen Identität noch nicht abschließend geklärt ist, aus dem Aasee geborgen worden. Auch in diesem Fall kann ein Gewaltverbrechen nicht ausgeschlossen werden. Washington. Wie der Sprecher des Weißen Hauses heute erklärte -“
Eva schaltete das Radio aus und rieb sich die Augen. Seit Tagen verfolgte sie das Gefühl, irgendwie neben sich zu stehen. Vor Frank Laurenz´ Tod war ihr Leben in geordneten Bahnen verlaufen. Gewissenhaft hatte sie für ihre Diplomarbeit über den Prager Fenstersturz recherchiert, Führungen organisiert und ihre Chancen ausgelotet. Sie hatte Kontakte geknüpft und Gespräche geführt. Wenn alles so laufen würde, wie sie es sich vorstellte, stand einer Laufbahn als Historikerin nichts mehr im Wege. Zwar würde sie die heimatlichen Gefilde verlassen müssen – in Münster waren alle in Frage kommenden Stellen langfristig besetzt -, aber seit der Trennung von Philip stand diesem Schritt nichts mehr im Wege.
Es war ein komisches Gefühl, Philip so hilflos zu sehen. In ihrer gut fünf Jahre währenden Beziehung hatte sie seine Zielstrebigkeit stets bewundert. Je überzeugter er von einer Sache war, desto kämpferischer trat er für sie ein. Bei seinem Engagement für den AStA hatte sie immer wieder staunen müssen, wie er in den absurdesten Positionen mit der ihm eigenen Verbissenheit seine Standpunkte durchsetzte. In Gedanken verglich sie ihn mit einem kleinen Jungen, der mit naivem Eifer eckige Bauklötze durch eine runde Öffnung zu quetschen versucht. Philips Problem war, dass er die Verhaltensweisen, die ihn in der Hochschulpolitik nach oben gebracht hatten, auf alle anderen Bereiche ausdehnte. Ständig auf Konfrontationskurs gebürstet. Immer auf der Jagd nach Reibungspunkten. Zigmal hatte Eva ihn mit Engelszungen darauf hinzuweisen versucht, doch Philip hatte ihre Kritik stets unbeeindruckt an sich abprallen lassen und ihre Bemühungen als Nörgelei abgetan. Von Anfang an war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie ihm dafür die Quittung präsentieren würde. Als der Moment schließlich gekommen war, hatte Philip nur mit hängenden Schultern dagestanden und sie mit großen Augen angestarrt. Er hatte nichts begriffen. Offensichtlich verstand er immer noch nichts, und Eva konnte sich einfach nicht erklären, warum sie sich ihm noch immer so verbunden fühlte. In Philips Wohnung, als Bernhard Laurenz gegangen war, hatte sie wieder jenes Kribbeln in der Magengegend verspürt. Seine Nähe genossen. Er hatte so unsicher und verletzbar gewirkt. Philip machte sich Sorgen um sie. Das war offensichtlich. Und doch hatte sie sein Übernachtungsangebot abgelehnt.
Eva schlurfte ins Bad, zog ihre Ringe ab und legte sie auf das Waschbecken. Während sie sich die Zähne
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