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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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niederzureißen. Wenn das schon in der Wissenschaft, in den höheren Sphären schlecht ist, wie ist es dann erst in den Niederungen? Endlose, boshafte Konkurrenz. Zu vieles, was man lernen muss. Zu große Bandbreite der verstopften Kommunikationskanäle. Wir können nicht schnell genug zuhören. Wir müssen uns ständig nach der Decke strecken.«
    »Was ist daran anders, als wenn man gegen einen Höhlenbären oder ein Mammut kämpft?«, fragte Mitch. »Oder wenn man zusieht, wie die eigenen Kinder an Pest sterben?«
    »Vielleicht führt das zu unterschiedlichen Arten von Stress, sodass unterschiedliche Signalsubstanzen betroffen sind. Wir haben es schon lange aufgegeben, neue Klauen oder Reißzähne hervorzubringen. Wir sind soziale Wesen. Alle wichtigen Veränderungen zielen auf Kommunikation und gesellschaftliche Anpassung.«
    »Zu viele Veränderungen«, sagte Mitch nachdenklich. »Keiner tut es gern, aber wir müssen uns der Konkurrenz stellen, sonst sitzen wir am Ende auf der Straße.«
    Sie standen vor dem Ausgang und lauschten den Grillen. Drinnen im Zoo krächzte ein Papagei. Das Geräusch war über den ganzen BaiboaPark hinweg zu hören.
    »Vielfalt«, murmelte Kaye. »Übermäßiger Stress könnte ein Anzeichen für eine bevorstehende Katastrophe sein. Das zwanzigste Jahrhundert war eine einzige lange, hektische, ausgedehnte Katastrophe. Es muss eine größere Veränderung geschehen, etwas, das im Genom abgespeichert ist, muss aktiviert werden, ehe die Menschheit untergeht.«
    »Also keine Krankheit, sondern eine Weiterentwicklung«, sagte Mitch.
    Kaye sah ihn wieder mit dem gleichen kurzen Schaudern an.
    »Genau. Jeder kann in Stunden oder höchstens Tagen überall hin reisen. Was in einer Umgebung ausgelöst wird, verbreitet sich plötzlich über die ganze Welt. Der Hexenmeister wird mit Signalen überhäuft.« Sie streckte noch einmal die Arme aus, zurückhaltender diesmal, aber alles andere als nüchtern. Sie wusste, dass Mitch sie ansah, und Dicken beobachtete sie alle beide.
    Dicken ließ den Blick über die Straße neben dem großen Zooparkplatz schweifen und suchte nach einem Taxi. Er sah einen Wagen etwa dreißig Meter entfernt wenden und streckte die Hand aus. Das Taxi fuhr auf den Standstreifen.
    Sie stiegen ein. Dicken setzte sich auf den Beifahrersitz. Während der Fahrt drehte er sich um und sagte: »Na gut, irgendein Abschnitt in unserer DNA baut also geduldig ein Modell für den nächsten Menschentyp. Woher bekommt er seine Ideen, seine Anregungen? Wer flüstert ›längere Beine, ein größerer Gehirnschädel, braune Augen sind dieses Jahr am besten‹? Wer sagt uns, was schön und was hässlich ist?«
    Kaye sprudelte los. »Die Chromosomen bedienen sich einer genetischen Grammatik, die in die DNA eingebaut ist, einer Art SpeziesBauplan höherer Ordnung. Der Hexenmeister weiß, was er sagen darf, damit es für den Phänotyp des Lebewesens einen Sinn ergibt. Zu dem Hexenmeister gehört auch ein genetischer Redakteur, eine Grammatikprüfung. Der bremst die meisten unsinnigen Mutationen, ehe sie überhaupt in Betracht gezogen werden.«
    »Jetzt spekulieren wir aber wild ins Blaue«, sagte Mitch, »und bei jedem Nahkampf werden sie uns in der ersten Minute abschießen.« Er streckte die Hände wie Tragflächen in die Luft, bis der Taxifahrer nervös wurde, und ließ die linke Hand dann dramatisch aufs Knie fallen, sodass die Finger einknickten. »Peng«, sagte er.
    Der Taxifahrer sah sie neugierig an. »Ihr seid wohl Biologen?«, fragte er.
    »Doktoranden an der Universität des Lebens«, erwiderte Dicken.
    »Kapiert«, erklärte der Fahrer feierlich.
    »Jetzt haben wir uns die verdient.« Dicken holte die dritte Weinflasche aus dem Beutel und zog sein Schweizer Armeemesser heraus.
    »He, nicht hier im Wagen«, sagte der Fahrer schroff, »es sei denn, ich mache Feierabend und ihr gebt mir was ab.«
    Sie lachten. »Also im Hotel«, sagte Dicken.
    »Dann bin ich völlig betrunken«, meinte Kaye und schüttelte den Kopf, sodass die Haare neben die Augen fielen.
    »Wir feiern eine Orgie«, sagte Dicken und errötete ein wenig.
    »Eine intellektuelle Orgie natürlich«, fügte er verlegen hinzu.
    »Ich bin kaputt«, sagte Mitch, »und Kaye hat Kehlkopfentzündung.«
    Sie gab ein leises Krächzen von sich und grinste.
    Der Fahrer hielt vor dem Serrano Hotel unmittelbar südwestlich des Kongresszentrums und ließ sie aussteigen.
    »Das geht auf mich«, sagte Dicken und bezahlte. »Genau wie der

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