Das Darwin-Virus
Wein.«
»Na gut«, erwiderte Mitch, »danke.«
»Wir müssen irgendein Fazit ziehen«, sagte Kaye. »Eine Vorhersage treffen.«
Mitch gähnte und streckte sich. »Tut mir Leid. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen.«
Kaye sah ihn unter ihrer Ponyfrisur an: die schmalen Hüften, die eng an den Schenkeln anliegenden Jeans, das eckige, zerfurchte Gesicht mit den zusammengewachsenen Brauen. Nicht gerade gutaussehend auf die makellos schöne Art, aber sie spürte ihre eigene Chemie, ein leises, atemberaubendes Pochen in der Leistengegend, und das kümmerte sich wenig um so etwas. Das erste Anzeichen, dass der Winter zu Ende ging.
»Ich meine es ernst«, sagte sie. »Christopher?«
»Es liegt doch auf der Hand, oder?«, erklärte Dicken. »Wir sagen, die Zwischentöchter sind nicht krank, sondern ein noch nie da gewesenes Entwicklungsstadium.«
»Und was bedeutet das?«, wollte Kaye wissen.
»Es bedeutet, dass die sekundären Babys, die aus dem zweiten Stadium, gesund und lebensfähig sind. Und anders, vielleicht nur ein bisschen.«
»Das wäre ja erstaunlich«, sagte Kaye. »Und was sonst noch?«
»Bitte, es reicht«, warf Mitch ein. »Wir werden es heute Abend nicht zu Ende bringen.«
»Schade«, sagte Kaye.
Mitch lächelte sie an. Sie streckte ihm die Hand hin, und er schüttelte sie. Mitchs Handfläche war trocken wie Leder und rau durch die Hornschwielen vom jahrelangen Graben. Als er in ihre Nähe kam, weiteten sich seine Nasenöffnungen, und sie hätte schwören können, dass auch seine Pupillen größer wurden.
Dicken war immer noch rötlich im Gesicht. Seine Worte hörten sich ein wenig verwaschen an. »Wir haben noch keinen Schlachtplan«, sagte er. »Wenn es ein Bericht werden soll, müssen wir alle Belege zusammenhaben – und ich meine wirklich alle.«
»Rechnen Sie damit«, sagte Mitch. »Sie haben meine Telefonnummer.«
»Ich nicht«, sagte Kaye.
»Christopher gibt sie Ihnen«, erwiderte Mitch. »Ich bin noch ein paar Tage in der Nähe. Sagen Sie Bescheid, wann Sie Zeit haben.«
»Machen wir«, sagte Dicken.
»Wir rufen an«, fügte Kaye hinzu, während sie mit Dicken zu den Glastüren ging.
»Interessanter Bursche«, bemerkte Dicken, als sie im Aufzug standen.
Kaye stimmte mit leichtem Nicken zu. Dicken betrachtete sie ein wenig besorgt.
»Scheint intelligent zu sein«, fuhr er fort. »Wie konnte er bloß so in Schwierigkeiten geraten?«
In ihrem Zimmer ging Kaye unter die heiße Dusche und kroch dann, erschöpft und mehr als beschwipst, ins Bett. Ihr Körper war glücklich. Sie zog sich Laken und Decke über den Kopf und wälzte sich auf die Seite. Im nächsten Augenblick war sie eingeschlafen.
44
San Diego, Kalifornien
1. April
Kaye hatte sich gerade das Gesicht gewaschen und pfiff durch das tropfende Wasser, als in ihrem Zimmer das Telefon klingelte. Sie tupfte sich das Gesicht ab und griff zum Hörer.
»Kaye? Hier ist Mitch.«
»Ich kann mich an Sie erinnern«, sagte sie beiläufig – nicht zu beiläufig, hoffte sie.
»Ich fliege morgen nach Norden. Haben Sie heute Vormittag Zeit für ein Treffen?«
Sie war auf der Konferenz so mit Vorträgen und Podiumsdiskussionen beschäftigt gewesen, dass sie kaum dazu gekommen war, über den Abend im Zoo nachzudenken. Jede Nacht war sie völlig erschöpft ins Bett gefallen. Judith Kushner hatte Recht gehabt: Marge Cross beanspruchte jede Sekunde ihres Lebens.
»Das wäre schön«, sagte sie vorsichtig. Er erwähnte Christopher nicht. »Wo?«
»Ich wohne im Holiday Inn. Das Serrano hat eine nette kleine Kaffeebar. Ich könnte einen kleinen Spaziergang machen, und dann treffen wir uns dort.«
»Ich habe erst in einer Stunde einen Termin«, erwiderte Kaye.
»Also in zehn Minuten da unten?«
»Ich beeile mich«, sagte Mitch. »Wir sehen uns in der Lobby.«
Sie legte die Kleidung für den Tag heraus – ein gepflegtes blaues Leinenkostüm aus der stets geschmackvollen MargeCrossKollektion – und überlegte, ob sie den leichten Spannungskopfschmerz mit ein paar Tylenol bekämpfen sollte, als sie durch das Doppelfenster gedämpfte Schreie hörte. Sie achtete zunächst nicht weiter darauf und griff zu dem Tagungsprogramm, das auf dem Bett lag. Während sie es zum Tisch trug und in ihrer Handtasche nach dem Namensschildchen für das Revers kramte, war sie ihres unmelodischen Pfeifens überdrüssig. Sie ging wieder um das Bett herum, nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein.
Das kleine Hotelgerät sorgte für die
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