Das Dekameron
weiter etwas zu sagen, als wäre sie aufgebracht, von dannen. Kaum hatte sie die Kirche verlassen, so kam auch der Edelmann des Weges. Der Mönch rief ihn an, nahm ihn beiseite, sagte ihm die größten Grobheiten, die man jemals einen ändern hat hören lassen, und nannte ihn einen Schelm, einen Meineidigen und einen Verräter über den ändern. Dieser aber hatte schon zweimal erfahren, was das Schelten des Paters zu bedeuten hatte, und er suchte ihn deshalb durch halbe Antworten zum Reden zu bringen. »Würdiger Herr«, sprach er, »was soll dieser Zorn? Habe ich denn Christus gekreuzigt?« »Nun höre einer diesen Unverschämten«, antwortete der Geistliche, »wie er tut. Redet er doch wahrhaftig nicht anders, als ob es ein oder zwei Jahre her wäre und er sich der langen Zeit wegen auf seine Schändlichkeiten und schlechten Streiche nicht mehr besinnen könnte. Ist es dir von heute morgen bis jetzt schon entfallen, wen du beleidigt hast? Nun, wo warst du heute kurz vor Tag?« »Was weiß ich, wo ich gewesen bin«, erwiderte der Edelmann; »Ihr müßt aber schnelle Boten haben.« »Freilich«, sagte der Mönch, »ist die Botschaft mir schon zugekommen. Aber ich merke schon, du dachtest, weil der Mann nicht zu Hause ist, empfinge die gute Frau dich nur so mit offenen Armen. Hoho, der ehr- und tugendsame Herr ist ein Nachtwandler, ein Gartenschleicher, ein Baumkletterer geworden. Denkst du denn durch deine Unverschämtheit die Reinheit dieser Dame zu besiegen, daß du ihr in der Nacht auf den Bäumen ins Fenster kletterst? Nichts auf der Welt ist ihr so ganz und gar zuwider, wie du es ihr bist, und doch probierst du's immer aufs neue. Ich will gar nicht davon reden, daß sie dir's vielfach zu erkennen gegeben hat; aber wahrhaftig, meine Ermahnungen hast du dir besonders zu Herzen genommen. Das will ich dir indes hiermit gesagt haben: bis jetzt hat sie, nicht etwa aus Liebe zu dir, sondern auf meine Fürbitte hin von deinem Benehmen geschwiegen; nun aber wird sie nicht mehr schweigen. Ich habe es ihr freigestellt, ganz nach ihrem Belieben zu verfahren, wenn du noch irgend etwas tust, das ihr mißfällt. Und was willst du machen, wenn sie's ihren Brüdern sagt?«
Der Edelmann hatte nun alles, was er brauchte, zur Genüge erfahren. Er besänftigte daher den Pater nach bestem Wissen und Können mit reichlichen Versprechungen und sagte ihm Lebwohl. Als aber in der nächsten Nacht die Zeit der Mette herangekommen war, schlich er sich in den Garten, erkletterte den Baum und eilte durch das offene Fenster in die Arme seiner schönen Dame, die ihn nach sehnsüchtigem Erwarten freudig mit den Worten empfing: »Großen Dank dem Herrn Pater, der dir den Weg zu mir so schön gezeigt hat.« Nun genossen sie einander und konnten unter vielen Scherzen und Gelächter über die Einfalt des Bruders Rindvieh und unter Spott über Spulräder, Kämme und Wollkratzer ihrem Ergötzen kein Ziel setzen. Dann aber wußten sie es so einzurichten, daß sie, ohne der Hilfe des Paters ferner zu bedürfen, in gleicher Freude noch viele Nächte verbringen konnten, zu welchem Glück Gott mir und anderen Christenseelen, die danach Verlangen tragen, in seiner heiligen Barmherzigkeit auch bald verhelfen möge.
Vierte Geschichte
Don Felice lehrt den Bruder Puccio, wie er durch eine Bußübung selig werden kann. Bruder Puccio nimmt sie auf sich, und Don Felice vertreibt sich inzwischen mit dessen Frau die Zeit.
Als Filomena am Ende ihrer Geschichte angelangt war und schwieg, lobte Dioneo den Verstand der Dame nachdrücklich und mit schönen Worten, nicht minder aber auch das Schlußgebet der Filomena, worauf die Königin sich lächelnd an Panfilo wandte und sprach: »Wohlan denn, Panfilo, fahre fort, uns durch ein lustiges Späßchen zu ergötzen.« Panfilo erwiderte sogleich, er sei gern bereit, und begann also:
Madonna, es gibt viele Leute, die, während sie selbst sich bemühen, das Paradies zu erlangen, ändern dazu verhelfen, ohne daß sie's gewahr werden. Daß es einer unserer Nachbarinnen vor nicht gar zu langer Zeit so ergangen ist, werdet ihr gleich vernehmen können.
Wie man mir erzählt hat, wohnte nicht weit von San Pancrazio ein guter, wohlhabender Mann namens Puccio di Rinieri, der, als er sich später ganz den geistlichen Dingen ergab, der Bruderschaft des heiligen Franziskus beitrat und Bruder Puccio genannt wurde. Sein Hauswesen beschränkte sich auf seine Frau und eine Magd, und da er deshalb nicht gezwungen war,
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