Das Dekameron
abschlagen sollte. Sie ihm zu gewähren, schien ihr aber nicht gut getan. Als dieser bemerkte, daß sie mit der Antwort zögerte, nachdem sie ihn doch angehört hatte, glaubte er sie schon halb bekehrt, und wirklich gelang es ihm durch viele Worte, die er den ersten hinzufügte, noch ehe er ausgeredet hatte, ihr in den Kopf zu setzen, was er verlange, sei wohlgetan. Deshalb sagte sie ihm denn ganz verschämt, sie sei bereit, jedem seiner Befehle zu gehorchen. Früher aber könne sie nicht, als bis Ferondo im Fegefeuer sei. Der Abt erwiderte ihr voller Freuden: »Nun, so wollen wir ihn denn gleich hinschicken. Richtet es nur ein, daß er morgen oder in diesen Tagen zum Besuche zu mir heraufkommt.« Mit diesen Worten drückte er ihr verstohlen einen wunderschönen Ring in die Hand und entließ sie.
Die Frau war vergnügt über das Geschenk, denn sie hoffte, daß noch andere folgen sollten, und nachdem sie ihre Freundinnen wieder aufgesucht hatte, erzählte sie ihnen auf dem Heimweg Wunderdinge von der Frömmigkeit des Abtes. Wenige Tage darauf ging Ferondo ins Kloster. Sobald der Abt ihn zu sehen bekam, nahm er sich vor, ihn ins Fegefeuer zu schicken. Zu diesem Ende suchte er ein Pulver von wunderbarer Kraft hervor, das er im Morgenlande von einem mächtigen Fürsten mit der Versicherung erhalten hatte, der Alte vom Berge pflegte sich desselben zu bedienen, wenn er jemanden im Schlaf in sein Paradies oder wieder herausbringen wolle. In größerer oder geringerer Menge gegeben, schläfere es den, der es genieße, ohne ihm irgend zu schaden, auf kürzere oder längere Zeit dermaßen ein, daß niemand ihm einen Funken von Leben beimessen könne, solange die Kraft des Pulvers dauere. Von diesem Pulver nahm er soviel, als nötig war, um einen dreitägigen Schlaf hervorzubringen und gab es Ferondo mit einem Glase jungen und noch trüben Weines, in welches er dasselbe unbemerkt getan hatte, in seiner Zelle zu trinken. Dann führte er ihn in den Kreuzgang und begann in Gesellschaft einiger anderer Mönche sich an seinen Torheiten zu ergötzen. Es dauerte indes nicht lange, so wirkte das Pulver, und Ferondo überfiel eine so plötzliche und unüberwindliche Müdigkeit, daß er noch im Stehen einschlief und schlafend umfiel. Der Abt stellte sich erschrocken über den Vorfall, ließ ihm die Kleider öffnen und kaltes Wasser bringen, um ihn damit zu bespritzen. Auch versuchte er noch viele andere Mittel, wie wenn er glaubte, die Lebensgeister, die von üblen, aus dem Magen oder sonst aufgestiegenen Dünsten eingenommen seien, auf diese Weise samt dem Bewußtsein zurückzurufen. Als nun der Abt und die Mönche sahen, daß er bei alledem sich nicht erholte, und als sie den Puls, nach dem sie fühlten, regungslos fanden, zweifelte keiner mehr daran, daß er tot sei. Deshalb ließ man es seiner Frau und seinen Angehörigen sagen, die alle schnell herbeikamen und ihn eine Weile gemeinschaftlich beweinten, worauf der Abt ihn, angezogen wie er war, in einer Gruft beisetzen ließ. Die Frau kehrte heim und erklärte, sich nie von einem Kinde trennen zu wollen, das er mit ihr erzeugt hatte. So blieb sie im Hause, nur damit beschäftigt, dem Vermögen, das Ferondo hinterlassen hatte, und der Erziehung ihres Söhnleins vorzustehen.
Der Abt indessen stand in der Nacht mit einem Bologneser Mönch, der am selben Tage angekommen war und zu dem er großes Vertrauen hatte, in aller Stille auf. Beide nahmen den Ferondo aus seinem Grabe und legten ihn in ein anderes Gewölbe, worin man gar kein Licht sah und das zum Strafgefängnis für die Mönche bestimmt war. Hier zogen sie ihm seine Kleider aus, kleideten ihn statt dessen wie einen Mönch, setzten ihn auf ein Bündel Stroh und ließen ihn allein, bis er wieder zu sich käme. Und der Bologneser Mönch, der vom Abt ohne Mitwissen eines anderen gehörig unterrichtet worden war, wartete einstweilen, daß Ferondo sich erholen sollte.
Der Abt ging am ändern Tag mit einigen seiner Mönche wie zum Besuche in das Haus der Frau, die er ganz in Trauerkleidern und sehr betrübt fand. Nachdem er sie eine Weile getröstet hatte, erinnerte er sie leise an ihr Versprechen. Da die Frau sich nun frei und weder von Ferondo noch sonst jemand belästigt fühlte, auch an des Abtes Finger schon einen zweiten, noch schöneren Ring bemerkt hatte, sagte sie, sie sei bereit, und verabredete mit ihm, daß er in der nächsten Nacht kommen solle. Wirklich ging er, sobald es Nacht geworden war, in den Kleidern des Ferondo
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