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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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von verschiedenen getadelt worden, wie er dies selbst recht wohl bemerkt hatte.
    Als es ihm aber Zeit schien, diese Trauer zu vertreiben, wie er schon früher bei sich beschlossen hatte, stand er auf, während die übrigen noch die Früchte genossen, und sagte: »Nichts hat uns gefehlt, um dieses Gastmahl fröhlich zu machen, als Tedaldo, den ich euch nun zeigen will, da ihr ihn so lange unter euch gehabt habt, ohne ihn zu erkennen.« Und damit nahm er den Pilgermantel und was sonst zur Pilgertracht gehörte ab und stand nun in einem Wams von grünem Zindeltaffet vor ihnen. Sie aber betrachteten ihn mit großer Verwunderung lange Zeit, und obgleich sie ihn allmählich erkannten, unterstand sich zuerst keiner zu glauben, daß er es wirklich sei. Wie Tedaldo dies bemerkte, erzählte er ihnen ausführlich von ihrer Verwandtschaft, von einer Menge sie betreffender Vorfälle und von seinen eigenen Schicksalen. Da eilten die Brüder und die übrigen Männer unter Freudentränen, ihn zu umarmen, und auch die Frauen, verwandte wie fremde, mit der einzigen Ausnahme Donna Ermellinas, taten ein Gleiches. Als Aldobrandino dies bemerkte, sagte er: »Was soll das, Ermellina, warum bezeigst du nicht wie die ändern Frauen dem Tedaldo deine Freude über seine Rückkehr?« Die Dame aber antwortete ihm vor allen Anwesenden: »Keine unter allen hätte ihn lieber freundlich bewillkommnet als ich, die ich ihm mehr als irgendeine Dank schuldig bin, weil ich durch seine Hilfe dich wiedererlangt habe. Aber das unschickliche Gerede, das umging, als wir den beweinten, den wir für Tedaldo hielten, hält mich davon ab.« Aldobrandino erwiderte ihr: »Ei was, denkst du denn, ich werde den Kläffern glauben? Dadurch, daß er meine Rettung bewirkte, hat er deutlich genug die Unwahrheit jenes Geschwätzes bewiesen, an das ich ohnedies nicht glaubte. Steh nur auf und mach schnell, daß du ihn umarmst.« Die Dame, die nichts anderes wünschte, zögerte nicht, dem Wunsche ihres Gatten zu gehorchen. Vielmehr erhob sie sich sogleich und umarmte ihn und hieß ihn willkommen, wie die anderen es getan hatten.
    Dieses adelige Benehmen des Aldobrandino gefiel den Brüdern Tedaldos und allen ändern anwesenden Herren und Damen gar sehr, und jener kleine Makel, der wegen der früheren Reden etwa noch in dem einen oder anderen Gemüte gehaftet hatte, wurde dadurch völlig getilgt.
    Während nun jeder dem Tedaldo seine Freude bezeigte, riß er selbst seinen Brüdern die schwarzen und seinen Schwestern und Schwägerinnen die braunen Gewänder vom Leibe und verlangte, sie sollten sich gleich andere Kleider kommen lassen. Wie sie nun alle sich umgekleidet hatten, ergötzten sie sich mit Gesang und Tanz und anderen Lustbarkeiten gar lange Zeit, so daß dieses Gastmahl, das einen stillen Anfang gehabt hatte, laut und fröhlich endete.
    Dann gingen sie, voller Freude wie sie waren, alle in Tedaldos Haus und aßen dort zu Abend. Die Feste aber dauerten auf die gleiche Weise noch mehrere Tage lang fort.
    Die Florentiner betrachteten den Tedaldo geraume Zeit lang wie einen von den Toten Auferstandenen und wie ein Fabeltier, und viele, sogar die Brüder selbst, zweifelten innerlich noch einigermaßen, ob er es denn auch wirklich sei. Sie hielten es noch immer nicht für gewiß, und hätte sich nicht ein Vorfall zugetragen, der sie darüber aufgeklärt, wer der Ermordete gewesen, wären sie vielleicht noch eine Weile bei ihrem Zweifel geblieben. Und das trug sich folgendermaßen zu: Soldaten aus der Gegend von Luni gingen eines Tages vor Tedaldos Haus vorbei, und als sie diesen vor der Türe stehen sahen, gingen sie auf ihn zu und sagten: »Möge es dir wohl ergehen, Faziuolo.« Tedaldo antwortete ihnen in Gegenwart der Brüder: »Ihr verwechselt mich mit einem ändern.« Als die Soldaten ihn reden hörten, schämten sie sich und baten ihn um Verzeihung. »Wahrlich«, sagten sie, »Ihr gleicht, mehr als wir je zwei Menschen sich gleichen sahen, einem Kameraden von uns, namens Faziuolo aus Pontremoli, der vor etwa vierzehn Tagen oder nicht viel länger hierher gekommen ist, ohne daß wir seither hätten erfahren können, was aus ihm geworden ist. Freilich wunderten wir uns über Euer Gewand, denn jener war Soldat, wie wir es sind.« Der älteste der Brüder des Tedaldo trat bei diesen Worten vor und fragte sie, wie Faziuolo gekleidet gewesen sei. Sie gaben darüber Auskunft, und es fand sich, daß ihre Beschreibung dem Anzug des Ermordeten genau entsprach. So überzeugten

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