Das Dekameron
Braghiello vor seiner Wiedererweckung gemacht worden sei. Unterdessen kehrte er mit der Frau in sein Haus zurück, nahm von seinem Vermögen wieder Besitz und schwängerte sie, wenigstens seiner Meinung nach. Zum Glücke traf es sich, daß die Frau gerade zu der Zeit, welche nach der Meinung der Törichten, die sich einbilden, die Frauen trügen genau neun Monate lang die Kinder im Leibe, die richtige war, von einem Knaben genas, der Benedikt Ferondo getauft ward.
Die Rückkehr Ferondos und seine Reden steigerten den Ruf von des Abtes Heiligkeit um vieles; denn fast jedermann glaubte, jener sei wirklich vom Tode erweckt worden. Ferondo aber, der wegen seiner Eifersucht so viele Schläge bekommen hatte, war nun ganz von ihr geheilt und plagte, wie der Abt versprochen hatte, von nun an seine Frau nicht mehr damit. Diese war darüber sehr erfreut und lebte wie zuvor mit ihm in allen Ehren, ohne jedoch zu versäumen, sich dann und wann, wenn es sich schickte, mit dem heiligen Abte zu treffen, der sie so gut und so sorgfältig in den wichtigsten Angelegenheiten bedient hatte.
Neunte Geschichte
Gillette von Narbonne heilt den König von Frankreich von einer Fistel und verlangt dafür Bertrand von Roussillon zum Manne. Dieser heiratet sie wider Willen und geht aus Verdruß nach Florenz. Hier verliebt er sich in ein junges Mädchen, das er zu umarmen glaubt, während er Gillette beschläft. Diese gebiert ihm zwei Söhne, um derentwillen er sie liebgewinnt und als Gemahlin behandelt.
Da die Königin dem Dioneo sein Vorrecht nicht rauben wollte, kam die Reihe des Erzählens, als Laurettas Geschichte zu Ende war, an niemand anders als an sie selbst. Deshalb begann sie denn, ohne eine Aufforderung der übrigen abzuwarten, fröhlich also zu reden:
Wer könnte wohl noch eine Geschichte erzählen, die Beifall fände, nachdem wir die von Lauretta gehört haben? Wahrlich, es ist gut für uns, daß sie nicht die erste war, sonst hätten uns wenige der ändern gefallen. Denen, die heute noch erzählt werden sollen, wird es, wie ich fürchte, so ergehen. Wie dem aber auch sei, ich will immerhin erzählen, was mir über unseren vorgeschriebenen Gegenstand einfällt.
Im Königreiche Frankreich lebte ein Edelmann namens Isnard, Graf von Roussillon, der, weil er kränklich war, immer einen Arzt bei sich hatte, welcher Gerard von Narbonne genannt wurde. Der Graf hatte einen einzigen kleinen Sohn mit Namen Bertrand, der von großer Schönheit und sehr wohlerzogen war. Mit ihm wurden mehrere Kinder seines Alters erzogen, unter denen sich eine Tochter des Arztes befand, die Gillette hieß. Diese empfand für den jungen Bertrand eine unendliche Liebe, die viel glühender war, als es für ihr zartes Alter sich ziemte. Bertrand aber mußte, als der Graf gestorben war und ihn in seinem Testament den Händen des Königs anvertraut hatte, nach Paris ziehen, worüber das junge Mädchen ganz untröstlich war. Als nun bald darauf auch ihr Vater starb, wäre sie, wenn sie einen schicklichen Vorwand gewußt hätte, gern auch nach Paris gegangen, um Bertrand wiederzusehen. Da sie aber um des Reichtums willen, der ihr nun allein geblieben war, von vielen beachtet wurde, so fand sie keine ehrbaren Ausreden. Unterdessen hatte sie, die bereits erwachsen war und Bertrand noch immer nicht vergessen konnte, schon viele zurückgewiesen, mit denen ihre Verwandten sie hatten verheiraten wollen, nie aber einen Grund angegeben.
Nun geschah es, daß sie, mehr denn je in Liebe zu Bertrand entbrannt - der, wie ihr berichtet ward, ein schöner Jüngling geworden war -, zufällig vernahm, dem König von Frankreich sei von einem Geschwür, das er auf der Brust gehabt und das von den Ärzten schlecht geheilt worden war, eine Fistel zurückgeblieben, die ihm große Unbequemlichkeit und heftige Schmerzen verursache. Auch habe sich noch kein Arzt gefunden, so viele sich schon daran versucht hätten, der imstande gewesen wäre, ihn zu heilen, vielmehr hätten alle das Übel verschlimmert. Darum wolle denn der König, der jetzt an der Heilung verzage, von niemand mehr Rat und Hilfe annehmen. Das Mädchen war hoch erfreut hierüber. Denn nun glaubte Gillette, nicht nur einen genügenden Vorwand gefunden zu haben, um nach Paris zu reisen, sondern sie hoffte auch, wenn diese Krankheit wirklich dieselbe war, die sie vermutete, es leicht dahin bringen zu können, daß sie Bertrand zum Gatten bekam. Deshalb fertigte sie, von ihrem Vater vielfach in ärztlichen
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