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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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weit hinter Schön-Kackenhausen.« »Ei der Kuckuck«, sagte Ferondo, »das ist einmal weit! Meines Erachtens ist das so weit, daß wir schon aus der Welt heraus sein sollten.«
    Unter solchen und ähnlichen Gesprächen wurde Ferondo bei Essen und Schlägen an die zehn Monate gehalten, während welcher der Abt, der sich gar glücklich fühlte, oft genug die hübsche Frau besuchte und sich mit ihr den schönsten Zeitvertreib von der Welt machte. Wie aber die Unfälle mitunter zu kommen pflegen, so wurde die Frau schwanger und sagte es dem Abt, da sie es noch früh genug gemerkt hatte. Darum schien es denn nun beiden geraten, daß Ferondo unverzüglich aus dem Fegefeuer zurückkommen und wieder ins Leben gerufen werden solle, auf daß sie, nachdem sie wieder beisammengewesen wären, vorgeben könne, von ihm schwanger zu sein. Zu diesem Zweck ließ der Abt in der nächsten Nacht den Ferondo in seinem Kerker mit verstellter Stimme anrufen und ihm folgendes sagen: »Ferondo, sei guten Mutes, Gott beliebt es, dich in die Welt zurückzuschicken. Wenn du wieder hingekommen bist, wird dir deine Frau einen Sohn gebären, den sollst du Benedikt nennen; denn Gott erzeigt dir diese Gnade um der Gebete des heiligen Abts und deiner Frau willen und aus Liebe zum heiligen Benedikt.« Als Ferondo das hörte, wurde er sehr froh und sagte: »Na, das ist mir lieb; Gott möge es unserm Herrgott lohnen und dem Abte und dem heiligen Benedikt und meiner honigsüßen, kandierten, mit Käse bestreuten Frau ebenfalls.« Darauf ließ ihm der Abt im Wein, den er ihm zu trinken gab, so viel von jenem Pulver reichen, daß er etwa vier Stunden lang davon schlafen mußte, und legte ihn, wieder mit den alten Kleidern angetan, mit Hilfe seines Mönchs aufs neue in die Gruft, in welcher er zuerst begraben worden war.
    Am ändern Morgen kam Ferondo, als der Tag anbrach, wieder zu sich, und er sah durch einige Spalten in der Gruft das Licht, das er seit wohl zehn Monaten entbehrt hatte, wieder. Da es ihm nun so vorkam, als sei er lebendig, so fing er an zu rufen: »Macht auf, macht auf!« und stemmte sich selbst mit solcher Kraft gegen die Decke der Gruft, daß, weil sie leicht zu heben war, er sie lüftete. Er war noch damit beschäftigt, sie ganz abzuwerfen, als einige Mönche, die eben ihr Morgengebet gesprochen hatten, herbeiliefen, die Stimme des Ferondo erkannten und ihn aus dem Grabe steigen sahen. Voller Schrecken über die unerhörte Begebenheit entflohen sie und eilten zum Abt. Dieser tat, als stände er eben vom Gebet auf, und sagte: »Kinder, fürchtet euch nicht. Nehmt Kreuz und Weihwasser und folgt mir nach, damit wir sehen, was die göttliche Allmacht uns offenbaren will.« Und so taten sie.
    Ferondo war indessen, ganz bleich von der langen Zeit, während welcher er den Himmel nicht gesehen hatte, aus der Gruft herausgestiegen. Sobald er den Abt erblickte, warf er sich ihm zu Füßen und sagte: »Ehrwürdiger Vater, Eure Gebete nebst denen des heiligen Benedikt und meiner Frau haben mich, wie mir offenbart worden ist, von der Pein des Fegefeuers erlöst und ins Leben zurückgerufen. Ich bitte Gott, daß er Euch dafiir ein gutes Jahr und gute Tage heute und allezeit bescheren möge.« Der Abt antwortete: »So sei denn die göttliche Allmacht gelobt! Gehe, mein Sohn, da Gott dich zurückgesandt hat, und tröste deine Frau, deren Tränen nicht versiegt sind, seit du von hinnen schiedest. Gehe und sei von nun an Gottes Freund und Diener.« Ferondo sagte: »Hochwürdiger Herr, so ist mir wohl gesagt worden. Laßt mich nur machen, denn wenn ich hinkomme, küsse ich sie auch gleich, so gut bin ich ihr.«
    Der Abt blieb mit seinen Mönchen zurück und bezeigte viel Verwunderung über diese Begebenheit, weswegen er denn in großer Demut das Miserere singen ließ. Ferondo kehrte indes ins Dorf zurück, wo jeder, der ihn sah, vor ihm floh, wie man vor etwas Entsetzlichem flieht. Er aber rief alle zurück und versicherte, er sei auferweckt worden. Die Frau fürchtete sich ebenfalls vor ihm, bis endlich die Leute etwas mehr Zutrauen zu ihm faßten, sich überzeugten, daß er lebendig sei und ihm vielerlei Fragen nach jener Welt stellten. Er antwortete allen, als ob er vernünftiger zurückgekehrt sei, erzählte ihnen Neuigkeiten von den Seelen ihrer Angehörigen und erfand sich selber die schönsten Fabeln von der Welt über die Einrichtungen des Fegefeuers. Auch erzählte er vor allem Volke die Offenbarung, die ihm durch den Mund des Erzengels

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