Das Dekameron
die Ohren.
Ich aber fühl, in herber Tränenflut Verzweifelnd, nur zu gut,
Daß ich, zum Heile vieler Geboren, nun an einen mich gebunden.
Mein widriges Geschick muß ich verklagen,
Das mich betöret, ach,
Des Kleiderwechsels willen ja zu sagen.
Im dunklen Kleid einst froh, muß Ungemach
Ich nun im hellen tragen
Und überdies des bösen Leumunds Schmach.
O arger Hochzeitstag,
Was bin ich nicht gestorben,
Bevor ich deine Bitterkeit empfunden.
Geliebter Freund, den ich mit Lust besessen,
Dem keiner jemals glich,
Du weilst dort oben in dem Anschaun dessen,
Der uns erschaffen hat. Erbarme dich
Der Frau, die zu vergessen
Dich nie vermag, und überzeuge mich,
Die Flamm entzünde sich Aufs neu, in der ich glühte;
Wo nicht, so kürze dieses Lebens Stunden.
Hier endete Lauretta ihr Lied, das von allen überdacht, von verschiedenen aber verschieden verstanden ward. Die einen meinten, es komme auf das mailändische Sprichwort hinaus: »Besser eine fette Sau als eine hübsche Frau«, andere aber erkannten darin einen erhabeneren, tieferen und wahreren Sinn, von dem indes zu reden jetzt nicht an der Zeit ist. Dann wurden auf des Königs Befehl Wachsfackeln in Menge angezündet und auf dem blumigen Rasen noch mehrere andere Lieder gesungen, bis alle Sterne, die aufgegangen waren, zu sinken begannen. Nun erst meinte der König, es sei Schlafenszeit, und hieß deshalb alle mit der Gutennacht sich in ihre Gemächer zurückziehen.
ES ENDET DES DEKAMERON DRITTER TAG, UND ES BEGINNT DER VIERTE, AN WELCHEM UNTER DER HERRSCHAFT DES FILOSTRATO VON DEN SCHICKSALEN DERJENIGEN GESPROCHEN WIRD, DEREN LIEBE EIN UNGLÜCKLICHES ENDE NAHM.
Geliebte Damen, sowohl nach den Worten weiser Männer, die ich vernommen, als nach dem, was ich selbst oftmals gesehen hatte, war ich des Glaubens, daß der ungestüme und sengende Wind des Neides nur die hohen Türme und die erhabensten Baumwipfel erschütterte; doch finde ich mich in dieser Meinung betrogen. Weil ich nämlich das wilde Ungestüm jenes wütenden Gifthauches fliehe und immer vor ihm geflohen bin, habe ich meinen Weg absichtlich nicht allein in der Ebene, sondern in den tiefsten Tälern gehalten. Diese meine Gesinnung muß schon dem deutlich genug einleuchten, der die gegenwärtigen Geschichten betrachtet; habe ich sie doch nicht nur in der Sprache des florentinischen Volkes und in Prosa ohne weitere Bezeichnung geschrieben, sondern auch im anspruchslosesten und bescheidensten Stil von der Welt. Dessenungeachtet bin ich dem Ungestüm jenes Sturmes so wenig entgangen, daß er mich vielmehr gewaltig erschüttert, ja fast entwurzelt hat und ich von den Bissen des Neides ganz zerfleischt bin. Woraus erhellt, daß es wahr ist, was die Weisen sagen, daß allein unter allen Dingen die Erbärmlichkeit dem Neide entgeht.
Einige nämlich haben beim Lesen dieser Geschichten gesagt, daß ihr, o Damen, mir allzusehr gefallt und es mir übel anstehe, wenn ich solches Behagen daran finde, euch zu unterhalten und zu ergötzen, oder gar, wie andere sich noch stärker geäußert haben, euch zu loben. Wieder andere, die ihr Urteil als ein reiferes angesehen haben möchten, haben gemeint, für mein Alter sei es unziemlich, noch immer bemüht zu sein, den Damen zu gefallen und nur von ihnen zu reden. Noch andere haben sich auf das liebevollste um meinen Nachruhm besorgt gestellt und geäußert, ich täte besser, mit den Musen auf dem Parnaß zu weilen, als mit derlei Geschwätz unter euch zu verkehren.
Auch hat es nicht an solchen gefehlt, die mit größerer Geringschätzung als Einsicht der Meinung gewesen sind, daß ich gescheiter täte, daran zu denken, wo ich Brot hernehmen könnte, als bei solchen Narreteien von der Luft zu leben. Endlich haben auch einige zum Nachteile meiner Arbeit behaupten wollen, die Begebenheiten meiner Geschichten hätten sich ganz anders zugetragen, als ich sie euch berichte. Von so mannigfachen und gewaltigen Stürmen, von so giftigen und scharfen Zähnen werde ich bedrängt, geängstigt, ja lebensgefährlich verwundet, weil ich in euren Diensten, ihr werten Damen, stehe. Aber ich vernehme und ertrage alle diese Anfechtungen, Gott weiß es, mit heiterem Mute.
Obgleich nun meine Verteidigung in diesen Dingen euch allein obläge, bin ich doch nicht gesonnen, meine Kräfte zu schonen, sondern beabsichtige vielmehr, ohne jeden weiteren Verzug zwar nicht so zu erwidern, wie sich's gebührte, wohl aber mit einer schlichteren Antwort mich von meinen
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