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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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haben sie doch auf den ersten Anblick Ähnlichkeit mit ihnen und müßten mir also gefallen, wäre es auch aus keinem ändern Grunde als diesem. Zudem aber haben die Damen mir schon Anlaß gegeben, Tausende von Versen zu dichten, während ich auf den Anlaß der Musen hin noch keinen einzigen gemacht habe. Wohl aber halfen mir die Musen und lehrten mich jene tausend Verse schreiben, und es ist nicht unmöglich, daß sie während des Schreibens dieser Geschichtchen, so anspruchslos sie sind, mich schon mehrere Male heimgesucht haben. Ist dem aber so, dann taten sie es vermutlich der Ähnlichkeit zu Ehren und zu Gefallen, welche die Damen mit ihnen haben. Demzufolge entfernte ich mich, wenn ich diese Geschichten niederschreibe, lange nicht so weit vom Berge Parnaß und von den Musen, wie manche vielleicht denken mögen.
    Was aber sollen wir denen antworten, die mir aus lauter Mitleid mit meinem Hunger raten, an meinen Broterwerb zu denken? Wahrlich, ich wüßte es nicht. Soviel aber weiß ich wohl: überlege ich mir, wie ihre Antwort ausfiele, wollte ich sie meiner Notdurft wegen ansprechen, dann kann ich mir sie nicht anders denken als: »Geh und bettle dir Brot bei deinen Fabeleien.« Doch haben den Dichtern ihre Fabeleien mitunter schon mehr eingebracht als vielen Reichen ihre Schätze. Manche verherrlichten durch ihre Fabeln das ganze Zeitalter, dem sie angehörten, während im Gegenteil viele andere, die bestrebt waren, mehr zu erwerben, als sie brauchten, selbst in Kummer und Sorge verkamen. Doch wozu die vielen Worte! Mögen jene Tadler mich immerhin abweisen, wenn ich etwas von ihnen verlange. Gottlob, für jetzt bedarf ich dessen nicht. Sollte ich aber später dennoch in Not geraten, so weiß ich nach der Lehre des Apostels sowohl Überfluß als Mangel zu ertragen, und deshalb möge es sich denn niemand um mich angelegener sein lassen, als ich es tue.
    Diejenigen endlich, welche behaupten, diese Geschichten hätten sich nicht auf die erzählte Weise zugetragen, täten mir einen großen Gefallen, wenn sie die rechte Wahrheit beibrächten. Verhielte sich diese alsdann anders, als ich geschrieben habe, so fände ich ihren Tadel begründet und wäre meinen Fehler zu verbessern bemüht. Solange aber nichts zum Vorschein kommt als Worte, will ich ihnen ihre Meinung lassen, für mein Teil aber bei der meinigen bleiben und von ihnen dasselbe sagen, was sie mir vorwerfen.
    Da ich nun gesonnen bin, für diesmal mit dem Gesagten mich zu begnügen, erkläre ich, daß ich mit Hilfe Gottes und mit der, die ich von euch, ihr holdseligen Damen, erhoffe, und mit Geduld gewappnet, diesen Stürmen den Rücken kehren und sie blasen lassen will. Kann mir ja doch nichts anderes geschehen als dem leichten Staube, den der Sturmwind entweder nicht von der Stelle bewegt oder den er, wenn er ihn ergreift, in die Höhe trägt und oftmals auf den Häuptern der Menschen, den Kronen der Könige und Kaiser und zuzeiten auf stolzen Palästen und hohen Türmen absetzt, von denen er, wenn er niederfällt, doch nicht tiefer als bis zu der Stelle fallen kann, von der er aufgehoben ward.
    Habe ich also jemals mich mit allen meinen Kräften bemüht, euch in etwas zu gefallen, so werde ich es nun mehr als je zuvor tun, weil ich erkenne, daß man mir mit billigen Gründen nichts anderes vorwerfen kann, als daß die übrigen wie auch ich, die wir euch lieben, nach dem Willen der Natur verfahren. Ihren Gesetzen aber zu widerstreben, bedarf es allzu großer Kräfte, und die es zu tun versuchen, bemühen sich oftmals nicht allein vergebens, sondern auch zu ihrem eigenen wesentlichen Nachteil. Was mich betrifft, so gestehe ich, daß ich jene Kräfte weder habe noch zu haben wünsche. Ja, besäße ich sie auch, so würde ich sie doch lieber einem ändern leihen, als für mich verwenden. Es mögen denn jene Kläffer schweigen, und, wenn sie unfähig sind, sich zu erwärmen, in ihrer Frostigkeit weiterleben. Mögen sie ihren Freuden oder richtiger ihren verderbten Lüsten nachgehen und mir in dem kurzen Leben, das uns verliehen ist, die meinigen lassen. Nun aber ist es Zeit, daß wir, schöne Damen, nach langem Abschweifen wieder dahin zurückkehren, von wo wir ausgegangen sind, und in der begonnenen Ordnung fortfahren.
    Die Sonne hatte vom Himmel bereits alle Gestirne und von der Erde die feuchten Schatten der Nacht vertrieben, als Filostrato aufstand und die ganze Gesellschaft aufstehen ließ. Sie gingen in den schönen Garten und lustwandelten dort nach

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