Das Dekameron
von Palmenlaub und hieß sie sich darauf niederlegen.
Kaum war dies geschehen, so säumten die Versuchungen nicht eben lange, die Standhaftigkeit des Einsiedlers zu bekämpfen. Als dieser sich aber von jener bald völlig im Stich gelassen sah, wendete er, ohne viele Angriffe abzuwarten, dem Feinde den Rücken zu und ergab sich als besiegt. So ließ er denn die heiligen Gedanken, die Gebete und Geißelungen ganz beiseite liegen, rief sich dafür die Jugend und Schönheit des jungen Mädchens ins Gedächtnis und fing zugleich an, darüber nachzudenken, was für Mittel und Wege er ergreifen solle, um zum Ziele zu gelangen, damit sie nicht innewerde, er strebe als ein unkeuscher Mensch nach dem, was er von ihr begehrte. Zu dem Ende richtete er allerhand Fragen an sie, durch die er erfuhr, daß sie noch keinen Mann erkannt hatte und so unschuldig war, wie sie aussah. Deshalb beschloß er, sie unter dem Schein des Gottesdienstes seinen Wünschen gefügig zu machen.
Zuerst setzte er ihr mit vielen Worten auseinander, ein wie arger Feind des lieben Gottes der Teufel sei und wie man durch nichts Gott so lieb werden könne, als wenn man den Teufel heim in die Hölle schickte, in die unser Herrgott ihn verbannt habe. Das Mädchen fragte ihn, wie man das anfange. Rusticus antwortete ihr darauf: »Das sollst du bald erfahren, und darum tue, was du mich tun siehst.« Damit begann er, die wenigen Kleidungsstücke, die er trug, auszuziehen, und warf sich, als er ganz nackt war, auf die Knie, als wolle er beten. Das Mädchen ahmte ihn in allem nach. Er ließ es sich gegenüber knien, und wie er, in dieser Stellung verweilend, beim Anblick ihrer nackten Schönheit mehr denn je in seiner Begierde entbrannte, zeigte sich die Auferstehung des Fleisches. Als Alibech diese gewahr ward, wunderte sie sich und sprach: »Rusticus, was ist denn das für ein Ding, das ich da bei dir sehe, das sich so vordrängt und das ich nicht habe?« »Ach, meine Tochter«, sagte Rusticus, »das ist eben der Teufel, von dem ich dir gesprochen habe. Siehst du, jetzt gerade plagt er mich so sehr, daß ich es kaum aushalten kann.« »Nun,
Gott sei Lob«, sagte das Mädchen darauf, »so sehe ich, daß mir's besser geht als dir, denn ich für mein Teil habe keinen solchen Teufel.« Rusticus sagte: »Du sprichst die Wahrheit, du hast aber ein anderes Ding, das ich wieder nicht habe, und das ist ebenso schlimm.« »Warum nicht gar!« sagte Alibech. Rusticus antwortete ihr: »Du hast die Hölle, und ich sage dir, ich glaube, Gott hat dich zum Heil meiner Seele hierher gesandt. Denn wenn du dich meiner erbarmen und mir erlauben willst, daß ich, sooft dieser Teufel mich sehr plagt, ihn in die Hölle heimschicken darf, so wirst du mir eine große Erleichterung gewähren, Gott aber einen ausbündigen Dienst und Gefallen erzeigen, wenn du wirklich in der Absicht, die du mir gesagt hast, hierher gekommen bist.« Das Dirnlein erwiderte in gutem Glauben: »Ehrwürdiger Vater, da ich einmal die Hölle habe, so kann es geschehen, wenn Ihr wollt.« Darauf antwortete Rusticus: »Sei gesegnet, meine Tochter. So laß uns denn gehen und ihn heimschicken, auf daß er mich künftig in Frieden lasse.« Und mit diesen Worten führte er das Mädchen zu einem ihrer Betten und zeigte ihm, wie man sich stellen müsse, um diesen Verfluchten Gottes einzukerkern.
Das Dirnlein, das noch niemals einen Teufel heim in die Hölle geschickt hatte, spürte beim ersten Mal einiges Ungemach und sagte deshalb zu Rusticus: »Wahrlich, mein Vater, der Teufel muß ein abscheuliches Ding und ein rechter Feind Gottes sein, denn er tut selbst der Hölle, geschweige denn anderen Dingen weh, wenn er hineinkommt.« Rusticus sagte: »Meine Tochter, das wird nicht immer so sein.« Und um es dahin zu bringen, schickten sie, bevor sie sich vom Bettchen erhoben, ihn an die sechsmal heim in die Hölle, so daß sie ihm für diesmal den Hochmut aus dem Kopfe brachten und er Frieden hielt.
Als er sich aber später dennoch öfter wieder in Stolz erhob und das Mädchen sich immer willig zeigte, ihn zu demütigen, geschah es, daß sie an dem Spiele Gefallen fand und zu Rusticus sagte: »Nun sehe ich wohl, daß die wackeren Leute in Capsa recht hatten, wenn sie sagten, Gott dienen sei ein so süßes Ding. Denn wahrlich, ich erinnere mich nicht, je etwas getan zu haben, das mir soviel Lust und Vergnügen gewährt hätte, als den Teufel in die Hölle heimzuschicken. Und so halte ich dafür, daß jeder, der sich nicht
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