Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
Vom Netzwerk:
Gegnern zu befreien. Denn wenn sie nun, wo noch nicht ein Drittel meines Werkes gediehen ist, schon so zahlreich und so übermütig sind, so muß ich wohl vermuten, daß sie sich, wenn ihnen nicht eine vorgängige Abfertigung zuteil wird, noch vor Beendigung meines Werkes so vervielfacht haben möchten, daß sie mich mit geringer Mühe in den Grund bohren und eure, wenn auch noch so großen Kräfte nichts mehr dagegen vermöchten. Bevor ich mich indes darauf einlasse, irgendjemandem eine Antwort zu geben, will ich zu meiner Rechtfertigung nicht eine vollständige Geschichte erzählen, weil es sonst so aussehen könnte, als wollte ich meine Geschichten mit denen einer so ehrenwerten Gesellschaft, wie es die oben beschriebene war, vermischen, wohl aber einen Teil von einer Geschichte mitteilen, damit dieser Mangel selbst sie von jenen unterscheide.
    So sage ich denn zu meinen Widersachern, daß in unserer Stadt schon vor geraumer Zeit ein Bürger namens Filippo Balducci lebte, der, obgleich von ziemlich geringem Stande, dennoch wohlhabend, wohlerzogen und für seine Umstände ungewöhnlich welterfahren war. Dieser hatte eine Frau, die er auf das zärtlichste liebte, und sie ihn ebenso, so daß sie bei ihrem sorgenfreien Leben sich beide nichts so angelegen sein ließen, als eines dem ändern recht viel Freude zu machen. Nun geschah es, wie dereinst uns allen geschehen wird, daß die gute Frau aus dieser Welt ging und ihrem Filippo nichts als einen einzigen Sohn hinterließ, der etwa zwei Jahre alt sein mochte. Der Mann verfiel über den Tod seiner Frau in solche Schwermut wie nur jemals einer, der den Gegenstand seiner Liebe verlor. Und da er sich der Gesellschaft beraubt sah, die ihm unter allen die liebste gewesen war, beschloß er, nicht mehr der Welt anzugehören, sondern sich dem Dienste Gottes zu widmen und seinen kleinen Sohn dem gleichen Beruf zuzuführen. Zu diesem Ende verteilte er sein ganzes Vermögen als Almosen, begab sich sodann auf den Monte Asinajo und bezog dortselbst mit seinem Söhnchen eine kleine Klause. Während er nun, von Almosen zehrend, mit dem Kinde in Fasten und Beten fortlebte, vermied er auf das sorglichste, in dessen Gegenwart von weltlichen Dingen zu reden oder ihm dergleichen vor die Augen kommen zu lassen, damit sie dasselbe nicht von jenem frommen Leben ablenken möchten. Vielmehr redete er ihm statt dessen nur von der Herrlichkeit des ewigen Lebens, von Gott und seinen Heiligen und lehrte es nichts als fromme Gebete.
    In solchem Leben erhielt er den Kleinen viele Jahre lang, ließ ihn nie aus der Klause gehen und duldete nicht, daß der Knabe jemand anders als ihn zu sehen bekam. Filippo war aber gewohnt, zu Zeiten nach Florenz zu wandern, von wo er, nach seinen Bedürfnissen von gottesfürchtigen Leuten unterstützt, in seine Zelle heimkehrte. Als nun der Sohn das achtzehnte Jahr erreicht hatte, der Vater aber schon alt geworden war, geschah es, daß der Junge den Alten fragte, wohin er gehe, worauf Filippo ihm die Wahrheit sagte. Darauf entgegnete der Sohn: »Vater, Ihr seid nachgerade alt und ertragt die Arbeit nur mit Mühe. Warum nehmt Ihr mich nicht einmal mit nach Florenz und macht mich mit den gottesfürchtigen Freunden bekannt, damit ich dann, sooft Ihr es wünscht, allein nach unseren Bedürfnissen in die Stadt gehen kann und Ihr zu Hause bleibt?« Der Vater erwog, wie sein Sohn schon groß und an ein gottgefälliges Leben so gewöhnt sei, daß die Verlockungen der Welt ihn wohl schwerlich an sich ziehen könnten, und sagte bei sich selbst: »Er hat nicht unrecht.« Und so nahm er ihn mit, als er in die Stadt ging.
    Als der junge Mensch nun Paläste, Häuser, Kirchen und alle die ändern Schönheiten sah, von denen Florenz voll ist und deren er, soweit seine Erinnerung reichte, noch niemals gesehen hatte, verwunderte er sich ausnehmend und fragte bei vielen seinen Vater, wie sie genannt würden. Der Vater gab ihm Auskunft, und wenn er dann den Namen vernommen hatte, war er zufrieden und fragte nach etwas anderem. Während der Sohn also fragte und der Vater antwortete, geschah es, daß sie einer Schar schöner und geschmückter junger Mädchen begegneten, die soeben von einem Hochzeitsfeste heimkehrten. Als der junge Einsiedler diese gewahr wurde, fragte er alsbald den Vater, was das für Dinger wären. Jener antwortete: »Mein Sohn, schlage die Augen nieder und schaue sie nicht an, denn sie sind vom Übel.« Darauf sprach der Sohn: »Wie nennt man sie denn aber?« Weil nun

Weitere Kostenlose Bücher