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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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es auf mich angekommen, so hätten die Wölfe den Schäflein ebensogut beigebracht, den Teufel in die Hölle heimzuschicken, wie Rusticus der Alibech. Und so nennt uns denn nicht Wölfe, da ihr euch nicht wie Schäflein benommen habt. Da mir indes das Regiment übertragen ist, so will ich mein Reich regieren.« Neifile antwortete ihm: »Höre, Filostrato, statt uns belehren zu wollen, hättet ihr lieber wie Masetto aus Lamporecchio, von den Nonnen Klugheit lernen und die Sprache nicht eher wiederbekommen sollen, als bis die Knochen ohne Lehrmeister hätten pfeifen gelernt.« Filostrato merkte wohl, daß man ihm keine Antwort schuldig bleiben würde. So gab er das Witzeln auf und begann, sich statt dessen mit der Regierung des ihm übertragenen Reichs zu beschäftigen. Daher ließ er den Seneschall rufen und sich von ihm berichten, wie weit alles gediehen sei. Dann ordnete er mit vielem Verstand für die Dauer seiner Herrschaft an, was ihm ziemlich und für das Vergnügen der Gesellschaft förderlich erschien, und wandte sich, als dies geschehen war, mit folgenden Worten an die Damen:
    »Liebevolle Damen! Seitdem ich Gut und Böse zu unterscheiden weiß, war ich zu meinem Unglück wegen der Schönheit der einen oder anderen unter euch immer dem Amor unterworfen. Daß ich demütig und gehorsam war und in allem aus vollen Kräften seiner Weise nachlebte, hat mir nichts geholfen. Vielmehr hat man mich zuerst um eines ändern willen verlassen, und nachher ist es mir schlecht und schlechter gegangen, und so wird es mir wohl auch bis zu meinem Tod ergehen. Deshalb will ich denn, daß nichts anderes der Gegenstand unserer morgen zu erzählenden Geschichten sei, als was meinem eigenen Lose entspricht, nämlich die Schicksale derjenigen, deren Liebe ein unglückliches Ende nahm. Denn auch der Ausgang meiner Liebe wird, wenn es so weitergeht, höchst betrüblich sein, und allein um dessentwillen hat mir einer, der wohl wußte, was er tat, den Namen beigelegt, mit dem ihr mich ruft.« Mit diesen Worten stand er auf und beurlaubte alle bis zum Abendessen.
    Der Garten war so schön und ergötzlich, daß niemand aus der Gesellschaft es vorzog, ihn zu verlassen, um anderwärts größeres Vergnügen zu finden. Da die schon kühlere Luft ihnen nicht mehr beschwerlich war, unterhielten sie sich damit, den Rehen, Kaninchen und anderen Tieren nachzueilen, die, während sie saßen, mehr als hundertmal zwischen ihnen hindurchgesprungen waren und sie gestört hatten. Dioneo und Fiammetta begannen, von Flerrn Wilhelm und der Dame von Vergiu zu singen, Filomena und Panfilo spielten Schach, und so vertrieben sie sich, der eine hiermit, der andere damit, die Zeit, bis, kaum erwartet, die Stunde des Abendessens herankam. Die Tafeln waren bei dem schönen Springquell gedeckt, und sie aßen in großer Fröhlichkeit zu Abend.
    Um nicht von denen abzuweichen, die vor ihm Königinnen gewesen waren, forderte Filostrato Lauretta auf, einen Tanz zu beginnen und ein Lied zu singen. »Herr«, erwiderte sie, »fremde Lieder weiß ich nicht, und von den meinen kann ich keines auswendig, das einer so fröhlichen Gesellschaft hinlänglich gerecht würde. Wollt Ihr es aber, so wie ich es habe, so will ich gern eines singen.« Der König antwortete darauf: »Nichts, was du gemacht hast, kann anders als schön und gut sein, und deshalb sage uns eines, wie du es im Gedächtnis hast.« Da begann Lauretta mit gar sanfter Stimme und in etwas schwermütiger Weise, während die übrigen antworteten, also:
     
    Niemand hat Leid empfunden,
    Mit soviel Grund zu klagen,
    Als ich, die ich von Schmerz bin umwunden.
     
    Der Herr, auf dessen Wink die Himmel weichen,
    Hat mich zu seiner Lust gemacht,
    So schön, anmutig, reizend ohnegleichen,
    Daß, wer hienieden himmelwärts gedacht,
    Der Schönheit säh ein Zeichen,
    Die droben stets vor seinem Auge lacht.
    Allein die Erdennacht Begriff nicht meine Reize,
    Hat mich verschmäht und nimmer schön gefunden.
     
    Wohl war ein Jüngling einst, der voll Verlangen,
    Weil zart ich war und klein,
    Mit Arm und mit Gedanken mich umfangen:
    Aus meinen Augen sog er Flammen ein.
    Die Zeit, die schnell vergangen,
    Verwandt er nur, gefällig mir zu sein.
    Hingebend ward ich sein Und fand ihn meiner würdig;
    Jetzt aber, ach, ist solches Glück entschwunden.
     
    Drauf hat ein andrer liebend mich erkoren,
    Voll keckem Übermut,
    Weil er sich tapfer dünkt und hochgeboren.
    Der hält voll Eifersucht mich streng in Hut,
    Leiht falschem Wahn

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