Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
Vom Netzwerk:
noch sagen, daß ich mich mit einem Menschen von niedrigem Stande eingelassen habe? Gewiß, du sprächest die Unwahrheit. Sagtest du aber vielleicht: mit einem armen Menschen, so könnte man dir allerdings zu deiner Schande vorwerfen, daß du einen trefflichen Mann in deinem Dienste nicht besser gefördert hast. Doch Armut beraubt niemanden des Adels, sondern nur des Besitzes. Viele Könige, viele große Fürsten sind arm gewesen, und viele, die hinter dem Pfluge gehen oder das Vieh hüten, waren und sind überreich.
    Das letzte Bedenken, von dem du sprachst, was du nämlich mit mir machen sollst, schlage dir nur völlig aus dem Sinn. Bist du in deinem späten Alter gesonnen, das zu tun, was du in deiner Jugend nicht pflegtest, willst du hart und grausam verfahren, so übe an mir als der ersten Ursache dieses Vergehens, wenn meine Tat anders ein solches zu nennen ist, immerhin deine Härte, denn ich bin entschlossen, mit keinem Wort deine Milde in Anspruch zu nehmen. Auch beteuere ich dir: solltest du mir nicht dasselbe tun, was du dem Guiscardo angetan hast oder noch antun wirst, so werde ich mir mit meinen eigenen Händen das gleiche Los bereiten. Wohlan denn, weine, wenn du willst, den Weibern gleich, verschließe, wenn du glaubst, daß wir es verdient haben, dem Mitleid dein Herz und töte uns beide mit einem Schlage.«
    Der Fürst erkannte in dieser Rede die Seelengröße seiner Tochter, glaubte sie aber dennoch zu dem, was sie angedeutet hatte, nicht so fest entschlossen, wie es ihren Worten entsprach. Deshalb gab er, als er sie verließ, den Gedanken zwar völlig auf, seine Härte an ihr selbst auszulassen, beabsichtigte aber dafür, ihre glühende Liebe durch andere Schläge abzukühlen. Zu diesem Ende befahl er den beiden, die den Guiscardo bewachten, diesen in der nächsten Nacht ohne jedes Geräusch zu erdrosseln, ihm das Herz aus dem Leibe zu nehmen und dieses ihm, dem Fürsten, zu bringen. Die Wächter taten genau, wie ihnen befohlen worden war. Der Fürst aber ließ sich am ändern Tag eine große und schöne goldene Schale reichen, tat in diese Guiscardos Herz und schickte sie alsdann seiner Tochter durch einen vertrauten Diener, dem er auftrug, wenn er die Schale übergäbe, zu sagen: »Das schickt dir dein Vater, um dir an dem, was du am meisten liebst, ebensoviel Freude zu bereiten, wie du ihm an dem gewährt hast, was er am liebsten hatte.«
    Ghismonda hatte sich inzwischen, sobald ihr Vater von ihr gegangen war, in ihrem schrecklichen Vorsatz unerschüttert, giftige Wurzeln und Kräuter bringen lassen, diese abgekocht und ein Wasser daraus bereitet, das sie zur Hand haben wollte, sobald geschähe, was sie fürchtete. Als nun der Diener mit dem Geschenk und den Worten des Fürsten vor sie kam, nahm sie mit unverändertem Gesicht die Schale und war, sobald sie dieselbe aufdeckte, das Herz erblickte und jene Worte vernahm, sogleich völlig überzeugt, daß es Guiscardos Herz sei. Deshalb blickte sie zu dem Diener auf und sagte: »Wahrlich, einem Herzen wie diesem ziemte kein geringeres Grab als ein goldenes. Darin hat mein Vater verständig gehandelt.« Und nach diesen Worten führte sie es zum Munde, küßte es und sagte: »Mein Vater hat mir von jeher und bis zu diesem letzten Augenblicke meines Lebens in allen Dingen die zärtlichste Liebe bewiesen, jetzt aber tut er es mehr denn je zuvor. Bestelle ihm dafür den letzten Dank, den ich ihm jemals sagen werde.«
    Als sie dies gesagt, wandte sie sich wieder zur Schale, die sie noch fest in den Händen hielt, und sagte, während sie unverwandt das Herz anblickte: »O geliebter Wohnort aller meiner Freuden, Fluch über die Grausamkeit dessen, der schuld daran ist, daß ich dich mit leiblichen Augen erblickte. Genügte es mir doch, dich mit den Augen des Geistes immerdar zu schauen. Du hast nun deinen Lauf beendet und vollbracht, was dein Geschick dir bestimmt hatte. Du hast das Ziel erreicht, dem ein jeder entgegengeht. Alles Elend und alle Mühe dieser Welt hast du hinter dir gelassen und durch deinen Feind selbst ein Grab gefunden, wie es deinem Werte gebührt. Nichts fehlt dir nun zu deiner vollen Bestattung als die Tränen derjenigen, die du im Leben so zärtlich geliebt hast. Damit aber auch diese dir zuteil würden, gab Gott es meinem unbarmherzigen Vater ein, daß er dich mir schickte, und ich will sie dir gewähren, wenngleich ich mir vorgenommen hatte, ohne Tränen zu sterben und durch keinen Schrecken meine Züge verändern zu lassen. Habe

Weitere Kostenlose Bücher