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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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ich dir meine Tränen gezollt, so will ich ohne Säumen trachten, daß durch deine Hilfe sich meine Seele mit derjenigen vereinige, die einst von dir so sorgsam beherbergt ward. Und unter welchem Geleit könnte ich wohl zufriedener und sicherer in jenes unbekannte Land gehen als in dem ihrigen? Ich glaube sicher, sie weilt noch hierinnen und betrachtet den Schauplatz ihrer und meiner Freuden, und da ich gewiß bin, sie liebt mich noch, so erwartet sie wohl meine Seele, die ihr auf das zärtlichste anhängt.«
    Als sie so gesprochen hatte, begann sie, ohne nach Art der Frauen laut zu klagen, über die Schale geneigt, unter tausend Küssen, die sie dem toten Herzen gab, einen solchen Strom von Tränen zu vergießen, daß es wunderbar zu sehen war und nicht anders schien, als sei ihrem Haupt ein Wasserquell entsprungen. Ihre Gesellschafterinnen, die um sie her standen, begriffen weder, was das für ein Herz war, noch was die Worte der Dame zu bedeuten hatten. Dennoch weinten sie alle aus Mitleid, erkundigten sich teilnehmend, aber vergeblich nach der Ursache ihrer Tränen und beeiferten sich, zu tun, was sie nur wußten und konnten, um sie zu trösten.
    Die Dame aber richtete ihr Haupt, als sie genug geweint zu haben glaubte, wieder auf, trocknete ihre Augen und sagte: »O mein vielgeliebtes Herz, nun sind alle meine Pflichten gegen dich vollendet, und mir bleibt nichts zu tun übrig, als daß ich mit meiner Seele komme, um der deinen Gesellschaft zu leisten.« Und mit diesen Worten ließ sie sich die Flasche reichen, die das Wasser enthielt, das sie am Tage zuvor bereitet, schüttete es in die Schale, in der das Herz von ihren vielen Tränen gebadet lag, setzte sie vollkommen furchtlos an den Mund und trank sie völlig leer. Dann aber bestieg sie, die Schale in der Hand, ihr Bett, nahm die geziemendste Lage ein, die sie ihrem Körper zu geben wußte, drückte das Herz ihres toten Geliebten an das ihre und erwartete so, ohne ein Wort zu reden, ihren Tod.
    Inzwischen hatten ihre Gesellschafterinnen, ob sie gleich nicht wußten, was für ein Wasser Ghismonda getrunken, alles dem Tancredi hinterbracht, was sie mit angesehen und gehört hatten. Dieser eilte, das Geschehene ahnend, in das Gemach seiner Tochter und trat in dem Augenblick ein, wo sie sich auf ihr Bett niederlegte. Nun, da es zu spät war, sprach er ihr mit süßen Worten Trost zu und fing bitterlich zu weinen an, als er erkannte, wie weit es mit ihr gekommen war. Ghismonda aber sagte zu ihm: »Trancredi, spare dir diese Tränen für ein Unglück, das du nicht, wie dieses, selbst herbeigeführt hast, und verschwende sie nicht um mich, die ich dergleichen nicht begehre. Wer außer dir möchte auch wohl über das weinen, was er selbst gewollt hat? Wenn aber dennoch eine Spur der Liebe, die du für mich empfandest, in dir lebendig geblieben sein sollte, so gewähre mir als letzte Gunst, wenn du schon nicht dulden wolltest, daß ich stillschweigend und verborgen mit Guiscardo lebte, daß nun mein Leib wenigstens mit dem seinigen, wohin du ihn immer hast werfen lassen, öffentlich zusammen ruhe.« Der Drang der Tränen gestattete dem Fürsten nicht, zu antworten. Die Dame aber fühlte, daß ihr Ende gekommen sei, drückte noch einmal das tote Herz an die Brust und sagte:
    »Lebt mit Gott, ich scheide.« Da verschleierten sich ihre Augen, ihre Sinne schwanden, und sie schied aus diesem leidvollen Leben.
    Ein so trauriges Ende nahm, wie ihr vernommen, Guiscardos und Ghismondas Liebe. Tancredi aber bereute zu spät seine Grausamkeit mit vielen Tränen und ließ die beiden Leichen unter allgemeinem Bedauern der Leute von Salerno ehrenvoll in einem und demselben Grabe bestatten.
     

Zweite Geschichte
     
     
    Bruder Alberto redet einer Frau ein, der Engel Gabriel sei in sie verliebt, und beschläft sie mehrmals in dessen Namen. Endlich springt er aus Furcht vor ihren Verwandten aus dem Fenster und flüchtet in das Haus eines armen Mannes, der ihn, als wilden Mann verkleidet, am nächsten Tag auf den Marktplatz bringt, wo er erkannt, von seinen Klosterbrüdern festgehalten und ins Gefängnis gesetzt wird.
     
    Die Geschichte Fiammettas hatte die Augen ihrer Gefährtinnen mehrmals mit Tränen gefüllt. Als sie nun aber zu Ende gediehen war, sagte der König mit wirschem Gesicht: »Wohlfeilen Kaufes glaubte ich die Hälfte der Freuden, die Guiscardo und Ghismonda genossen, mit meinem Leben zu bezahlen. Daß ich so denke, kann niemanden unter euch verwundern, da ich lebend

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