Das Dekameron
denn vom Wolf zum Hirten geworden, und der Ruf seiner Heiligkeit war in jener Gegend größer, als der des heiligen Franziskus jemals in Assisi gewesen ist. Nun geschah es, daß ein junges, albernes und einfältiges Weib bei eben diesem heiligen Mönche mit anderen Frauen zur Beichte ging. Sie hieß Madonna Lisetta, stammte aus der Familie Quirino und war an einen Großhändler verheiratet, der mit seinen Galeeren nach Flandern gefahren war. Als diese nun, vor ihm kniend nach venezianischer Weise - und Windmacher sind die Venezianer alle -, einen Teil ihrer Angelegenheiten vorgetragen hatte, fragte Bruder Alberto, ob sie keinen Liebhaber habe. Sie aber antwortete mit erzürntem Gesicht: »Wo denkt Ihr hin, Herr Pater; habt Ihr denn keine Augen im Kopfe? Scheinen meine Reize Euch von derselben Sorte zu sein wie die der ändern Weiber? Mehr als zu viele hätte ich, wenn ich sie wollte; aber ich bin keine Schönheit, in die sich jeder Narr verlieben dürfte. Wie viele sind Euch denn schon vorgekommen, deren Reize den meinigen gleichkämen? Ich wäre auch im Paradiese schön.« Und so fuhr sie fort, von ihrer Schönheit so viel Wesens zu machen, daß es gar nicht zum Aushalten war.
Bruder Alberto merkte gleich, daß die gute Frau nicht an übermäßigem Verstand litt, und weil er Erdreich gefunden zu haben glaubte, das seinem Pfluge gerecht sei, verliebte er sich alsbald auf das lebhafteste in sie. Dennoch wollte er sich die guten Worte für eine gelegenere Zeit aufheben und begann für diesmal, um seine Heiligkeit an den Tag zu legen, sie zu schelten und ihr zu sagen, das seien Eitelkeiten, und mehr solche Redensarten. Darauf erwiderte die Frau, er sei ein Esel und wisse nicht, daß eine Schönheit mehr heißen wolle als die andere. Bruder Alberto aber wollte sie nicht allzusehr erzürnen, beschloß die Beichte und ließ sie mit den übrigen gehen.
Als danach einige Tage verstrichen waren, nahm er einen vertrauten Gefährten und begab sich mit diesem in das Haus der Madonna Lisetta. Hier ging er mit ihr allein in ein Zimmer, warf sich, daß niemand ihn sehen konnte, ihr zu Füßen und sagte: »Madonna, ich bitte Euch um Gottes willen, vergebt mir, was ich Euch am Sonntag sagte, als Ihr mir von Eurer Schönheit sprächet. Ich bin in der Nacht darauf dafür so geschlagen worden, daß ich bis heute nicht aus dem Bett habe aufstehen können.« Darauf sagte Monna Lisetta: »Wer schlug Euch denn so?« »Das will ich Euch wohl sagen«, entgegnete Bruder Alberto. »Während ich, wie es meine Gewohnheit ist, die Nacht über auf den Knien lag und betete, erblickte ich plötzlich einen hellen Glanz in meiner Zelle, und ich konnte mich nicht sobald umdrehen, um zu sehen, was es sei, als ich einen wunderschönen Jüngling mit einem dicken Stock in der Hand vor mir stehen sah, der mich sogleich beim Kragen faßte, mich zu Boden riß und mir so viele Hiebe gab, bis ich ganz zerschlagen war. Darauf fragte ich ihn, warum er mir so getan habe; er aber antwortete: >Weil du dich heute unterstanden hast, die himmlische Schönheit der Madonna Lisetta, die ich nächst Gott vor allen ändern Dingen liebe, zu schmähen. < Dann fragte ich ihn wieder: >Wer seid Ihr denn?< und er antwortete mir: >Ich bin der Engel Gabriel.< >Ach Herr<, erwiderte ich darauf, >seid doch nur so gut und verzeiht mir.< Er entgegnete aber: >Ich verzeihe dir, jedoch nur unter der Bedingung, daß du, sobald du kannst, zu ihr gehst und dir von ihr verzeihen läßt. Will sie dir dann nicht vergeben, so komme ich wieder und prügle dich so lange, daß du dein Leben lang genug haben wirst. < Was er mir aber hernach noch gesagt hat, wage ich Euch nicht wiederzuerzählen, wenn Ihr mir nicht zuvor vergeben wollt.«
Monna Lisetta, die nicht leicht ein Wässerchen trüben konnte, war über diese Worte, denen sie vollen Glauben schenkte, ganz vergnügt geworden und sagte nach einer kleinen Weile: »Habe ich's Euch nicht gleich gesagt, Bruder Alberto, daß meine Schönheit himmlischer Art ist? Aber Gott soll mir nicht helfen, wenn es mir nicht leid ist um Euch, und damit Euch weiter kein Leid geschehe, verzeihe ich Euch gleich auf der Stelle unter der Bedingung, daß Ihr mir erzählt, was der Engel weiter zu Euch sagte.«
Bruder Alberto erwiderte: »Madonna, weil Ihr mir denn verziehen habt, will ich Euch alles genau sagen. Doch mache ich Euch darauf aufmerksam, daß Ihr Euch wohl hüten müßt, gegen irgendjemand auf der Welt von dem, was ich Euch sagen werde, das mindeste laut
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