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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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Liebe hat mich indes nicht nur meine weibliche Schwäche, sondern auch deine Saumseligkeit, mich zu verheiraten, verbunden mit seiner Trefflichkeit, getrieben. Da du selbst, Tancredi, von Fleisch und Blut bist, so mußtest du wissen, daß du eine Tochter erzeugt hast, die aus Fleisch und Blut und nicht aus Eisen oder Stein besteht. Du mußtest dich erinnern und mußt es noch heute tun, obwohl du jetzt alt geworden bist, von welcher Art die Gesetze der Natur sind und mit welcher Kraft sie die Jugend bestürmen, und wenn du gleich als Mann einen Teil deiner besten Jahre mit Waffenübungen verbracht hast, so konnte dir doch nicht unbekannt sein, was Muße und Überfluß über bejahrte, geschweige denn über junge Leute vermögen. Nun bin ich, als deine Tochter, von Fleisch und Blut und weit davon entfernt, gelebt zu haben, vielmehr noch jung an Jahren, und aus beiden Gründen voll sinnlichen Verlangens, dessen Stärke auf das äußerste dadurch gesteigert worden ist, daß ich schon einmal vermählt gewesen und so gewahr geworden bin, welche Wollust es ist, jenes Verlangen zu befriedigen.
    So entschloß ich mich denn, da ich doch jenen Angriffen nicht zu widerstehen vermochte, als ein schwaches junges Weib das zu tun, wozu sie mich verlockten, und verliebte mich wirklich. Aber wahrlich, ich bot dabei alle meine Kräfte auf, um, soweit ich es zu verhindern imstande war, durch den Fehltritt, zu dem die Natur mich zwang, weder dir noch mir Schande zu bereiten. Auch hatten Amors Mitleid und meines Geschickes Gunst mir so verborgene Wege erspäht und gewiesen, daß ich zum Ziel meiner Wünsche gelangte, ohne daß jemand etwas davon gewahr worden wäre. Dies alles leugne ich nicht, wer dir auch jene Kunde hinterbracht hat oder wie du sonst das Geschehene erfahren hast. Übrigens habe ich mich dem Guiscardo nicht, wie viele tun, aufs Geratewohl ergeben; nein, ich habe ihn nach sorgfältiger Überlegung unter vielen anderen erwählt, ihn mit umsichtiger Sorgfalt zu mir eingeführt und mit bedächtiger Ausdauer von beiden Seiten mich lange der Erfüllung meiner Wünsche gefreut.
    Daß ich eben ihn mir ausersehen, scheinst du, von meinem Fehltritt an sich abgesehen, dem gemeinen Vorurteile mehr als der Wahrheit nachgehend, mir mit besonderer Bitterkeit vorzuwerfen, wenn du sagst, ich hätte mich mit einem Menschen geringeren Standes eingelassen - als ob du mir nicht gezürnt hättest, wenn ich mir einen Edelmann zu gleichem Umgang erwählt hätte. Dabei berücksichtigst du aber nicht, daß du keineswegs mich eines Unrechts bezichtigst, sondern allein das Schicksal, welches nur allzuoft die Unwürdigen erhebt und die Würdigen in der Tiefe läßt. Schweigen wir aber jetzt einen Augenblick davon und fassen wir das Wesen der Dinge ins Auge, so wirst du erkennen, daß unser aller Fleisch aus einem Stoffe besteht und daß unsere Seelen alle von ein und demselben Schöpfer mit gleichen Fähigkeiten, gleichen Anlagen und gleichen Eigenschaften ausgestattet worden sind. Erst die Tugend hat uns, die wir gleich geboren wurden und noch werden, unterschieden, und diejenigen, welche sie in höherem Grade besaßen oder übten, wurden edel genannt, während die übrigen unedel blieben. Wenn nun gleich späterhin widerstrebende Gebräuche dieses Grundgesetz verhüllt haben, so ist es darum weder aufgehoben noch aus der Natur und den edlen Sitten getilgt. Der also beweist unwiderleglich seinen Adel, der tugendhaft handelt, und wer ihn dann anders nennt, der lädt auf sich einen Makel und nicht auf den fälschlich Benannten. Tue dich unter allen deinen Edelleuten um, erwäge ihre Eigenschaften, ihre Sitten, ihr Betragen und stelle ihnen Guiscardo mit den seinigen gegenüber. Willst du dann leidenschaftslos richten, so mußt du ihn hochadelig, deine Edelleute aber gemein nennen.
    Was im übrigen Guiscardos Tugenden und seinen Wert betrifft, so habe ich mich in dieser Hinsicht auf niemandes Urteil, sondern allein auf deine Worte und meine Augen verlassen. Wer lobte ihn wohl je so lebhaft, wie du ihn wegen alles dessen gepriesen hast, was an einem wackeren Manne des Lobes wert ist? Und wahrlich, du tatest nicht unrecht daran; denn täuschten meine Augen mich nicht, so hast du ihm keinen Lobspruch erteilt, den ich nicht von ihm durch die Tat viel herrlicher hätte bestätigt gesehen, als deine Worte es auszudrücken vermochten. Hätte ich mich hierbei aber dennoch irgendwie betrogen, so wärest du es gewesen, der mich getäuscht hat.
    Willst du nun

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