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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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flüchtete eilig in ein Haus, das er dort offen fand, und bat einen Mann, den er darin antraf, ihm um Gottes willen das Leben zu retten, wobei er ihm eine Menge Lügen vorerzählte, warum er nackt und zu später Stunde sich dort befinde. In einer Regung von Mitleid schlug der gute Mann ihm vor, sich, während er selbst in Geschäften ausgehen mußte, in sein Bett zu legen und dort bis zu seiner Rückkehr ruhig zu verweilen. Dann schloß er ihn ein und besorgte, was er zu tun hatte.
    Indessen fanden die Schwäger der jungen Frau, als sie hereinkamen, daß der Engel Gabriel unter Zurücklassung seiner Flügel davongeflogen war. Zornig, sich so angeführt zu sehen, sagten sie der Frau die härtesten Dinge und kehrten endlich von der Trostlosen mit der Ausstattung des Engels nach Hause zurück.
    Mittlerweile war es heller Tag geworden, und der gute Mann, zu dem Bruder Alberto sich geflüchtet hatte, hörte, als er auf dem Rialto stand, erzählen, wie der Engel Gabriel in der Nacht bei Madonna Lisetta geschlafen habe, wie er, als die Schwäger ihn bei ihr gefunden, aus Angst ins Wasser gesprungen, und wie man nicht wisse, was aus ihm geworden sei. Daraus nun erriet er bald, es müsse der sein, den er bei sich im Hause hatte. Als er nun heimkam, brachte er den Mönch zum Geständnis und wußte es nach vielem Hin- und Herreden so weit zu bringen, daß dieser ihm fünfzig Dukaten herbeischaffen mußte, wollte er nicht an die Schwäger der Madonna Lisetta ausgeliefert sein.
    Der gute Mann erhielt sein Geld; als aber Bruder Alberto danach von dort wegzukommen begehrte, sagte ihm jener: »Dazu gibt es nur ein einziges Mittel, wenn Euch das recht ist. Wir feiern heute ein Fest, zu dem der eine einen als Bären verkleideten Mann mitbringt, der andere einen Wilden, der dritte dies, der vierte das. Dann wird auf dem Markusplatz eine Jagd abgehalten. Ist die zu Ende, dann ist auch das Fest aus, und ein jeder geht mit dem, den er mitgebracht hat, wohin es ihm beliebt. Wollt Ihr nun so oder so mitmachen, ehe man auskundschaften kann, daß Ihr hier seid, so kann ich Euch nachher hinführen, wohin Ihr wollt. Andernfalls sehe ich nicht, wie Ihr, ohne erkannt zu werden, von hier wegkommen wollt; denn die Schwäger Eurer Dame haben in der Vermutung, daß Ihr in dieser Nachbarschaft versteckt sein müßt, überall Wachen ausgestellt, um Euch zu fangen.«
    Obgleich es den Bruder Alberto hart ankam, in solchem Aufzug ausgehen zu sollen, entschloß er sich aus Furcht vor den Verwandten der Dame doch endlich dazu und sagte dem guten Manne, wohin er gebracht sein wolle und wie er mit jeder Verkleidung, unter welcher dieser ihn zu führen beabsichtige, zufrieden sei. Darauf salbte ihn dieser über und über mit Honig, bestreute ihn mit Flaumfedern, tat ihm eine Kette um den Hals, band ihm eine Maske vor und gab ihm einen großen Stock in die eine Hand, an die andere jedoch zwei gewaltige Hunde, die er sich vom Fleischer geliehen hatte.
    Inzwischen aber ließ er mit echt venezianischer Redlichkeit auf dem Rialto durch jemanden bekanntmachen, daß jeder, der den Engel Gabriel sehen wolle, auf den Markusplatz kommen möchte. Bald nachdem dies geschehen war, führte er ihn heraus, ließ ihn vor sich hergehen, während er ihn von hinten an der Kette hielt, und brachte ihn so unter großem Lärmen vieler, die fortwährend riefen: »Wer ist denn das?« auf den Platz, wo teils aus denen, die ihnen nachgezogen, teils aus ändern, welche die Bekanntmachung gehört und vom Rialto herbeigekommen waren, eine unglaubliche Menschenmenge sich versammelt hatte.
    Als er auf dem Platze angekommen war, band er an einer erhöhten Stelle seinen wilden Mann an eine Säule und stellte sich, als ob er auf den Beginn der Jagd warte. Den armen Alberto aber plagten indessen Fliegen und Bremsen, weil er mit Honig bestrichen war, auf das fürchterlichste. Sobald er nun den Platz recht voller Leute sah, tat er, als wolle er seinen wilden Mann loslassen, zog aber statt dessen dem Bruder Alberto die Larve vom Gesicht und sagte: »Ihr Herren, weil der Eber ausbleibt und aus der Jagd nichts werden kann, so will ich euch, damit ihr nicht umsonst gekommen seid, den Engel Gabriel zeigen, der des Nachts vom Himmel auf die Erde herniedersteigt, um den venezianischen Frauenzimmern die Zeit zu vertreiben.«
    Als die Larve herunter war, wurde Bruder Alberto sogleich von allen erkannt. Allgemein erhob sich gegen ihn ein wütendes Geschrei. Es wurden ihm die härtesten Dinge und die

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