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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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Lisetta aber ging, sobald sie gegessen hatte, in geziemender Begleitung zum Bruder Alberto, berichtete ihm Neuigkeiten vom Engel Gabriel, erzählte, was sie von ihm über die Herrlichkeit des ewigen Lebens gehört habe und wie er aussehe, und fügte dem allem noch die seltsamsten Fabeleien hinzu. Bruder Alberto antwortete ihr darauf: »Madonna, ich weiß nicht, was zwischen ihm und Euch vorgefallen ist. Wohl aber weiß ich, daß er, als er diese Nacht zu mir kam und ich ihm Eure Bestellung ausgerichtet hatte, sogleich meine Seele unter so viel Blumen und Rosen davontrug, daß man deren hienieden noch nie so viele zusammen gesehen hat. Da weilte ich denn an einem der entzückendsten Orte, die je gewesen sind, bis zum Morgengebet. Was inzwischen aus meinem Körper geworden ist, davon weiß ich nichts.« »Sagt' ich's Euch denn nicht?« entgegnete die Frau. »Euer Körper hat die ganze Nacht mit dem Engel Gabriel in meinen Armen gelegen, und wenn Ihr mir nicht glauben wollt, so schaut nur unter Eurer linken Brustwarze nach, wo ich dem Engel solch einen schrecklichen Kuß gegeben habe, daß noch ein paar Tage lang das Mal an Euch zu sehen sein wird.« Darauf sagte Bruder Alberto: »Nun, so will ich denn heute abend etwas tun, was ich seit langer Zeit nicht getan habe, ich will mich entblößen, um nachzusehen, ob Ihr mir die Wahrheit sagt.«
    Nach vielem weiteren Geschwätz ging die junge Frau wieder nach Haus; Bruder Alberto aber kehrte in Engelsgestalt noch oft zu ihr zurück, ohne auf irgendein Hindernis zu stoßen. Indessen geschah es, daß Madonna Lisetta, als sie eines Tages mit einer Gevatterin zusammen war und sich mit dieser über Schönheiten stritt, ihrer erwähnten Einfalt zufolge und um für ihre Schönheit den Vorrang vor allen übrigen zu behaupten, sagte: »Wenn Ihr nur wüßtet, wem meine Schönheit gefällt, so wäret Ihr wahrhaftig von den übrigen still.« Da die Gevatterin sie schon kannte, so war sie neugierig zu hören, was da herauskäme, und sagte: »Madonna, es mag schon sein, daß Ihr recht habt. Solange man aber nicht weiß, von wem Ihr redet, solange ändert man auch nicht leicht seine Meinung.« Darauf erwiderte die kurzsichtige junge Frau: »Gevatterin, man soll nicht davon reden; aber der Engel Gabriel ist mein Liebster. Der hat mich lieber als sich selbst, denn er sagt, ich sei das schönste Frauenzimmer auf der Welt.« Die Gevatterin hatte bei diesen Reden wohl Lust zu lachen, doch bezwang sie sich, damit Frau Lisetta noch weitererzählen möchte, und sagte: »Nun, beim Himmel, wenn der Engel Gabriel Euer Liebster ist und Euch das versichert, dann muß es wohl wahr sein: aber ich dachte nicht, daß die Engel solche Geschichten machen.« »Gevatterin«, sagte die junge Frau, »da habt Ihr Euch geirrt. Gott soll mich strafen, wenn er's nicht besser macht als mein Mann. Auch sagt er mir, sie tun es dort oben so gut wie wir. Weil er mich aber für schöner hält als jede andere im Himmel, hat er sich in mich verliebt und kommt oft über Nacht zu mir. Habt Ihr es nun begriffen?«
    Als die Gevatterin von Madonna Lisetta fortging, konnte sie die Gelegenheit kaum erwarten, alle diese Geschichten weiter unter die Leute zu bringen. Zu diesem Zweck rief sie bei einem Fest eine große Menge Frauen zusammen und erzählte diesen in gehöriger Ordnung ihre Neuigkeiten. Die Frauen teilten die Geschichte ihren Männern und anderen Freundinnen mit, diese erzählten sie wieder weiter, und so war ganz Venedig in weniger als zwei Tagen voll davon. Unter den ändern aber, die von der Angelegenheit reden hörten, waren auch die Schwäger der Madonna Lisetta, und diese nahmen sich in aller Stille vor, den Engel kennenzulernen und zu versuchen, ob er auch fliegen könne. Darum standen sie mehrere Nächte hindurch auf der Lauer.
    Inzwischen hatte aber auch Bruder Alberto ganz entfernt von der Geschichte reden hören. Als er nun eines Nachts zu der jungen Frau ging, um ihr Vorwürfe zu machen, hatte er sich kaum entkleidet, da waren auch schon ihre Schwäger, die ihn hatten kommen sehen, an der Tür und wollten herein. Kaum hatte Bruder Alberto das gehört, so erriet er wohl, was es zu bedeuten habe, sprang schnell aus dem Bett, öffnete ein Fenster, das auf den großen Kanal hinausging, und stürzte sich, da ihm kein anderer Ausweg übrigblieb, von dort aus ins Wasser. Da der Kanal tief war und er gut schwimmen konnte, tat er sich keinen Schaden. Vielmehr schwamm er auf die andere Seite des Kanals hinüber,

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