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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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rauben. Die Schiffsleute töten die Dame, wofür Gerbino sie alle umbringt, ihm aber nachher der Kopf abgeschlagen wird.
     
    Lauretta, am Ende ihrer Geschichte angelangt, schwieg, und in der Gesellschaft äußerten die einen ihr Mitleid über das Unglück der Liebenden, andere tadelten Ninettes Zorn, und so gaben alle ihre verschiedenen Empfindungen kund, bis endlich der König, als ob er aus tiefen Gedanken erwachte, das Haupt erhob und Elisa fortzufahren winkte, worauf diese gehorsam begann:
    Liebenswürdige Mädchen, es gibt gar viele, welche glauben, Amor verschieße seine Pfeile nur von den Augen entflammt, und diejenigen verspotten, die der Meinung sind, daß sich jemand aufs bloße Hörensagen hin verlieben könne. Wie sehr diese aber im Irrtum befangen sind, wird aus der Geschichte deutlich werden, die ich zu erzählen gesonnen bin. In ihr werdet ihr nicht allein vernehmen, wie das Gerücht, ohne daß die Liebenden sich jemals gesehen, solche Gefühle hervorgebracht hat, sondern auch wie beide dadurch einen jämmerlichen Tod erleiden mußten.
    Wilhelm, der zweite König von Sizilien, hatte, wie die Sizilianer berichten, zwei Kinder, von denen der Sohn Ruggieri, die Tochter aber Constanza hieß. Ruggieri hinterließ, als er noch vor seinem Vater starb, einen Knaben, der Gerbino genannt, vom Großvater sorgfältig erzogen ward und zu einem jungen Manne heranwuchs, der durch Schönheit ausgezeichnet und seiner Tapferkeit und seines adeligen Betragens wegen berühmt war. Sein Ruhm blieb aber nicht innerhalb der Grenzen Siziliens, sondern erklang in verschiedenen Gegenden der Welt und war besonders in der Berberei verbreitet, die zu jenen Zeiten den Königen von Sizilien zinspflichtig war.
    Unter den ändern, denen hier der glänzende Ruhm von Gerbinos Tugend und Ritterlichkeit zu Ohren kam, war eine Tochter des Königs von Tunis, die nach dem, was alle, die sie jemals gesehen, von ihr sagten, eines der schönsten Wesen war, die je von der Natur geformt worden, dabei von erlesenen Sitten und großer, edler Seele. Wie sie nun überhaupt gern von ehrenwerten Männern reden hörte, so vernahm sie mit besonderer Aufmerksamkeit die rühmlichen Taten des Gerbino, die ihr bald von dem einen, bald von dem ändern berichtet wurden, und fand an ihnen ein solches Wohlgefallen, daß sie sich in ihrer Phantasie ein Bild von ihm entwarf, sich auf das heftigste in ihn verliebte und lieber von ihm als von irgend etwas anderem redete und reden hörte.
    Zugleich war aber auch, ebenso wie in andere Gegenden, der große Ruhm von der Schönheit und dem Edelsinn jener Prinzessin nach Sizilien gedrungen und hatte, nicht ohne Wohlgefallen des Hörers, in Gerbinos Ohren Eingang gefunden, ja ihn mit nicht minderer Glut für sie entflammt, als die der jungen Dame für ihn war. Voller Verlangen, sie selbst zu sehen, trug er, bis ein geziemender Grund ihm des Großvaters Erlaubnis erwirken würde, nach Tunis zu gehen, jedem seiner dorthin reisenden Freunde auf, sie nach Kräften und in der Weise, die ihm am zweckmäßigsten schiene, von seiner geheimen und innigen Liebe zu unterrichten und ihm Nachrichten von ihr zurückzubringen. Einer dieser Freunde richtete den Auftrag sehr geschickt aus, indem er ihr unter dem Yorwand, als Frauenschmuck bestimmte Juwelen zum Anschauen zu bringen, Gerbinos Glut ohne Rückhalt offenbarte und ihr diesen und alles, was ihm gehörte, zur freien Verfügung darbot. Die Dame empfing Boten wie Botschaft mit dem freudigsten Gesicht, erwiderte, wie sie in gleicher Liebe entbrannt sei, und sandte zum Zeugnis ihrer Worte dem Gerbino einen ihrer köstlichsten Edelsteine. Als Gerbino dieses Geschenk erhielt, war er darüber so entzückt, wie man es über den Empfang der herrlichsten Gabe nur immer sein kann. Derselbe Freund mußte der Dame noch öfter Briefe und prächtige Geschenke Gerbinos überbringen, und die Liebenden besprachen sich darüber, wie sie sich sehen und umarmen wollten, wenn es das Schicksal ihnen gestatten sollte.
    Während die Angelegenheiten noch so standen und wohl etwas langsamer gefördert wurden, als zu wünschen gewesen wäre, da auf der einen Seite die junge Dame und auf der ändern Gerbino in gleichen Flammen brannten, versprach der König von Tunis seine Tochter an den König von Granada.
    Diese war über die Maßen betrübt, daß sie nicht allein durch diese Heirat von ihrem Geliebten so weit entfernt, sondern ihm nun so gut wie ganz entrissen werden sollte, und wenn sie ein Mittel gewußt

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