Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
Vom Netzwerk:
hätte, wäre sie gern vom Vater geflohen und zu Gerbino gekommen, damit das Gefürchtete nicht geschähe.
    Als Gerbino von jener Verbindung hörte, verfiel er darüber gleichfalls in unmäßige Traurigkeit und dachte oftmals, er wolle sie mit Gewalt entführen, wenn eine Möglichkeit sich auftue und sie zu Schiff nach Granada gehe.
    Der König von Tunis bekam indes von dieser Liebe und von Gerbinos Plänen einige Nachricht, und weil er wegen der Tapferkeit und der Macht des letzteren in Sorge war, tat er um die Zeit, als er seine Tochter hinüberschicken sollte, dem König Wilhelm dieses sein Vorhaben kund und erklärte zugleich, daß er es auszuführen gedenke, wenn er sicher sei, daran weder durch Gerbino noch durch einen von ihm Beauftragten gehindert zu werden. König Wilhelm, der ein alter Herr war und von Gerbinos Liebschaft niemals vernommen hatte, ließ es sich nicht einfallen, daß um ihretwillen jene Versicherung nachgesucht werde, gewährte sie also willig und schickte seinen Handschuh dem König von Tunis zum Zeichen. Als dieser die Zusicherung empfangen hatte, ließ er im Hafen von Karthago ein großes und schönes Schiff zurichten, es mit allem versehen, was den darauf Reisenden nötig sein konnte, und zur Überfahrt seiner Tochter nach Granada verzieren und schmücken. Dann wartete er nur noch auf günstiges Wetter.
    Da die junge Dame dies alles geschehen sah, sandte sie heimlich einen ihrer Diener nach Palermo, befahl ihm, den schönen Gerbino von ihr zu grüßen und ihm zu sagen, daß sie in wenigen Tagen nach Granada abzureisen im Begriffe stehe. Da werde man ja sehen, ob er tapfer sei, wie man von ihm sage, und ob er sie so liebe, wie er ihr öfters habe versichern lassen. Der Diener bestellte seinen Auftrag auf das beste und kehrte auch wieder nach Tunis zurück. Gerbino aber wußte nicht, was er tun sollte, als er die Botschaft der Dame vernahm, da ihm die Zusicherung seines Großvaters bekannt war. Dennoch eilte er, von der Liebe getrieben und um nicht nach den Worten der Dame, die ihm hinterbracht worden waren, für feige zu gelten, nach Messina, ließ dort gleich zwei leichte Galeeren bewaffnen, bemannte sie mit tapferen Leuten und steuerte damit gegen Sardinien, wo, wie er vermutete, das Schiff der Dame vorbeikommen mußte. Auch entsprach der Erfolg in kurzem seiner Vermutung; denn kaum war er einige Tage dort angelangt, als das Schiff mit geringem Winde der Stelle ziemlich nahe kam, wo Gerbino beigedreht hatte, um zu warten.
    Sobald Gerbino das gewahr wurde, sagte er zu seinen Gefährten: »Ihr Herren, seid ihr so tüchtige Männer, wie ich meine, so denke ich, wird wohl keiner unter euch sein, der die Liebe nicht gefühlt hätte oder noch fühlte, ohne die nach meinem Dafürhalten kein Sterblicher einige Tugend oder sonstiges Gute in sich beherbergen kann. Habt ihr aber geliebt oder liebt ihr noch, so wird es euch leicht sein, meine Lage zu begreifen. Ich liebe. Aus Liebe habe ich euch zur gegenwärtigen Unternehmung veranlaßt, und der Gegenstand meiner Liebe verweilt auf dem Schiffe, das ihr dort seht. Auf ihm befinden sich außer dem Inbegriff meiner Wünsche auch die größten Reichtümer, die wir, wenn anders ihr tüchtige Leute seid, durch einen männlichen Kampf mit leichter Mühe erobern können. Ich will indes von diesem Siege keinen anderen Teil haben als jenes Mädchen, dem zuliebe ich die Waffen ergriffen habe; alles andere überlasse ich euch im voraus auf das bereitwilligste. Wohlan denn, so laßt uns jenes Schiff mit sicherem Erfolg angreifen. Gott selbst zeigt sich unserem Unternehmen günstig und hält es uns durch völlige Windstille fest.«
    Die vielen Worte des schönen Gerbino wären nicht einmal nötig gewesen, denn die Männer von Messina, die ihn begleiteten, führten, von Raubsucht entbrannt, in Gedanken schon aus, wozu er sie noch mit Worten ermahnte. Aus diesem Grunde erhoben sie am Ende seiner Rede ein lautes Beifallsgeschrei. Dann stießen sie in ihre Hörner, griffen zu den Waffen, tauchten die Ruder ins Meer und gelangten rasch zu dem feindlichen Schiffe.
    Als die Mannschaft des letzteren die Galeeren auf sich zukommen sah und nicht entfliehen konnte, rüstete sie sich zur Verteidigung. Sobald Gerbino herangekommen war, verlangte er von ihnen, wenn sie sich nicht mit ihm schlagen wollten, sie sollten ihm die Schiffsherren an Bord seiner Galeeren liefern. Als die Sarazenen aber ihre Gegner erkannt und die Aufforderung vernommen hatten, erwiderten sie, dieser

Weitere Kostenlose Bücher