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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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Überfall geschehe gegen das vom König verpfändete Wort und zeigten zum Beweis König Wilhelms Handschuh vor. Im übrigen aber erklärten sie, unter keiner Bedingung sich oder irgend etwas, das sie an Bord hätten, anders als mit dem Schwerte in der Hand ausliefern zu wollen. Gerbino, der inzwischen seine Dame auf dem hinteren Verdeck des Schiffes gesehen und sie noch unendlich viel schöner gefunden hatte, als sie in seiner Vorstellung lebte, antwortete im Feuer der vermehrten Glut, wie jene ihm den Handschuh zeigten, hier wären vorläufig keine Falken, und so sei denn auch kein Handschuh vonnöten. Wollten sie also die Dame nicht hergeben, so möchten sie sich bereithalten, den Kampf anzunehmen.
    Mit diesen Worten begannen beide Teile ohne weiteren Aufschub, eifrig aufeinander Pfeile zu schießen und Steine zu werfen, und kämpften in dieser Weise geraume Zeit lang zu großem beiderseitigem Nachteil. Als aber Gerbino sah, daß er so dem Ziele nicht viel näher kam, zündete er endlich ein Fahrzeug an, das seine Leute aus Sizilien mitgenommen hatten, und drängte es dann mit Hilfe seiner beiden Galeeren hart an das feindliche Schiff heran. Bei diesem Anblick sahen die Sarazenen wohl ein, daß ihnen kein anderer Ausweg blieb, als sich zu ergeben oder zu sterben. Darum ließen sie denn die Tochter des Königs, die im unteren Raum gesessen und geweint hatte, auf Deck bringen, führten sie an die Spitze des Schiffs, riefen dem Gerbino zu und töteten sie dann unter seinen Augen, so sehr sie auch um Gnade und Hilfe flehte. Darauf warfen sie die Leiche ins Meer und riefen: »Nimm sie! Wir geben sie dir so, wie wir dürfen und wie deine Redlichkeit sie verdient hat.«
    Kaum hatte Gerbino diese Grausamkeit gesehen, so ließ er sich, als suchte er den Tod, unbekümmert um Pfeile und Steine an das feindliche Schiff heranführen und sprang, allen Verteidigern zum Trotze, an Deck. Nicht anders wie ein hungriger Löwe, der unter eine Schar junger Stiere gerät, bald diesen, bald jenen erwürgt und mit Zähnen und Krallen eher seine Wut als seinen Hunger befriedigt, traf Gerbino hier mit dem Schwert in der Hand bald den einen, bald den ändern Sarazenen und tötete ihrer viele. Inzwischen nahm das Feuer in dem angezündeten Schiffe schon überhand. Gerbino ließ also seine Leute, um sie zufriedenzustellen, nehmen, was sie konnten, und kehrte dann, wenig über den davongetragenen Sieg erfreut, auf seine Galeeren zurück. Er ließ den Körper der schönen Dame aus dem Meere fischen, weinte lange und mit vielen Tränen über ihm und bestattete ihn auf der Rückfahrt nach Sizilien feierlich auf Ustica, einer kleinen Insel, die Trapani ungefähr gegenüberliegt. Dann erst schiffte er, über die Maßen traurig, nach seiner Heimat zurück.
    Sobald der König von Tunis von dem Vorgefallenen Kunde erhalten hatte, schickte er schwarzgekleidete Gesandte an König Wilhelm und beschwerte sich, daß dessen Versprechen so schlecht gehalten worden sei. Die Gesandten berichteten den Hergang der Sache. König Wilhelm aber wurde über das Geschehene sehr aufgebracht und ließ den Gerbino gefangensetzen, da er nicht wußte, unter welchem Vorwand er die Genugtuung, die jene forderten, verweigern sollte. Ja, er verurteilte ihn darauf, da keiner seiner Barone ihn für Gerbino um Gnade bitten mochte, selbst zum Tode und ließ ihm in seiner Gegenwart das Haupt abschlagen; denn er wollte lieber ohne Enkel sterben als für einen Fürsten gelten, der sein Wort brach.
    Auf solche Weise fanden also innerhalb weniger Tage zwei Liebende ein elendigliches Ende, ohne nur die geringste Frucht ihrer Liebe gekostet zu haben.
     

Fünfte Geschichte
     
     
    Lisabettas Geliebter wird von ihren Brüdern ermordet. Er erscheint ihr im Traum und zeigt ihr, wo er verscharrt ist. Darauf gräbt sie seinen Kopf heimlich aus, tut ihn in einen Basilikumtopf und benetzt ihn täglich stundenlang mit ihren Tränen. Endlich nehmen ihn die Brüder ihr fort, und sie stirbt bald darauf vor Gram.
     
    Als der König Elisas eben beendete Geschichte ein wenig gelobt hatte, erging das Geheiß, weiterzuerzählen, an Filomena, welche - noch voller Mitleid für den armen Gerbino und seine Dame - nach einem wehmütigen Seufzer also begann:
    Geliebte Mädchen, meine Geschichte betrifft zwar keine Personen so hohen Ranges wie die, von welchen Elisa erzählt hat, wohl aber dürfte sie vielleicht nicht weniger rührend sein. Messina, dessen eben gedacht wurde, brachte sie mir in Erinnerung,

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