Das Dekameron
dem es vollen Glauben beimaß.
Am ändern Morgen hatte sie zwar nicht den Mut, ihren Brüdern etwas zu sagen, beschloß aber, an den bezeichneten Ort zu gehen, um sich zu überzeugen, ob ihr Traum Wahrheit sei. Sobald sie also Erlaubnis erhalten hatte, ging sie in Begleitung eines Mädchens, das früher bei den Geschwistern gedient hatte und von allen Geheimnissen Lisabettas wußte, um angeblich zu ihrem Vergnügen einen Spaziergang vor die Stadt zu machen. An jener Stelle angekommen, grub sie nach, wo sie, nachdem sie das welke Laub, das dort den Boden bedeckte, weggeräumt hatte, die Erde am lockersten fand. Auch hatte sie noch nicht lange gegraben, als sie auf den völlig erhaltenen und unbeschädigten Körper ihres unglücklichen Geliebten stieß und dadurch nur allzu deutlich die Wahrheit ihres Traumgesichts erkannte. Unaussprechlich betrübt über diese Entdeckung, fühlte sie doch wohl, daß sie ihren Tränen hier nicht freien Lauf lassen durfte, und hätte, wenn es möglich gewesen wäre, gern den ganzen Körper mit sich genommen, um ihn würdig zu begraben. Da sie aber einsah, daß dergleichen unmöglich war, trennte sie, so gut sie konnte, den Kopf mit einem Messer vom Rumpfe und gab ihn, nachdem sie den Rest des Körpers wieder mit Erde bedeckt hatte, in ein Handtuch gehüllt der Dienerin zu tragen.
Ohne von jemand gesehen zu sein, kehrte sie in ihre Wohnung zurück. Hier schloß sie sich mit dem Kopf in ihre Stube ein und weinte, über ihn hingeneigt, so lange Zeit bitterlich, daß ihre Tränen, während sie ihn mit Küssen bedeckte, ihn völlig reinwuschen. Dann legte sie ihn, mit einem sauberen Tuch umwunden, in einen schönen Blumentopf, in dem man Majoran und Basilikum zieht, schüttete Erde darüber, pflanzte einige schöne Stauden salernitanisches Basilikum hinein und begoß sie nicht anders als mit Rosen- und Orangenwasser oder ihren Tränen. Dabei pflegte sie sich immer zu dem Blumentopf zu setzen und das Gefäß, das ihren Lorenzo verborgen hielt, mit inniger Sehnsucht zu betrachten. Hatte sie ihn lange so angeschaut, dann trat sie wieder heran und weinte, über ihn gebeugt, bis sie das ganze Basilikum begossen hatte. Sowohl durch die lange und ununterbrochene Pflege als auch durch die Fruchtbarkeit, welche der verwesende Kopf dem Erdreich mitteilte, wurde die Pflanze wunderschön und duftete köstlich.
Da Lisabetta immer in dieser Weise fortfuhr, wurde sie öfters von den Nachbarn dabei beobachtet. Diese aber sagten zu ihren Brüdern, die sich darüber verwunderten, daß ihre Schönheit dahinwelkte und ihre Augen wie erloschen aussahen: »Wir haben bemerkt, daß sie sich täglich so und so benimmt.« Als die Brüder das hörten und selbst wahrnahmen, schalten sie sie deswegen einige Male und ließen ihr endlich, als das nichts helfen wollte, den Blumentopf heimlich wegnehmen. Als sie ihn vermißte, verlangte sie viele Male auf das dringendste nach ihm. Wie sie ihn aber doch nicht wiederbekam, wurde sie unter Tränen und Klagen krank und begehrte auch in der Krankheit nichts als ihren Blumentopf. Die Brüder wunderten sich über dieses Verlangen und verfielen deshalb darauf, zu untersuchen, was darin sei. Sie schütteten also die Erde aus und fanden das Tuch und in diesem den Kopf, der noch nicht so völlig verwest war, daß sie ihn an dem krausen Haarwuchs nicht für den des Lorenzo erkannt hätten. Darüber sehr erstaunt, fürchteten sie, ihre Tat könnte ruchbar werden. Ohne jemand etwas davon zu sagen, verließen sie, nachdem sie den Kopf vergraben und ihre Geschäfte geordnet hatten, vorsichtig die Stadt Messina, um nach Neapel zu ziehen. Das Mädchen aber hörte nicht auf, zu weinen und nach dem Blumentopf zu verlangen, und starb in solcher Weise unter Tränen.
Das war das Ende dieser traurigen Liebe. Mit der Zeit aber wurde die Begebenheit vielen bekannt, und es dichtete einer das Lied darauf, das heute noch gesungen wird:
Wer war der arge Bösewicht,
Der meinen Blumentopf genommen?
Sechste Geschichte
Andreola liebt den Gabriotto. Sie erzählt ihm einen Traum, den sie gehabt hat, und er ihr einen anderen. Darauf stirbt er plötzlich in ihren Armen. Als sie ihn mit ihrer Dienerin nach Hause trägt, werden sie von der Wache gefangen, und sie gesteht, wie sich alles zugetragen hat. Der Stadtrichter will ihrer Ehre Gewalt antun, sie wehrt sich aber. Ihr Vater erfährt indes, wo sie ist, und befreit sie, da er sie unschuldig findet. Sie aber weigert sich, länger in der Welt
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