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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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gewiß nicht weilt, denn er war ein braver Mensch.
    Viel besser ist es also, du suchst dich zu trösten und bemühst dich, sein Heil durch Gebete und andere gute Werke zu fördern, wenn er um etwaiger Sünden willen dessen bedürfen sollte. Was aber sein Begräbnis betrifft, so haben wir hier im Garten dazu die beste Gelegenheit, und da niemand weiß, daß er jemals hierher gekommen ist, wird auch kein Mensch etwas davon erfahren. Ist dir das aber nicht angenehm, so legen wir die Leiche hier vor dem Garten ruhig nieder. Dann werden ihn morgen früh die Leute schon finden und nach Hause schaffen, daß seine Angehörigen ihn begraben lassen.«
    Trotz der Bitterkeit ihres Schmerzes und ihrer unablässigen Tränen hatte die junge Dame auf den Rat ihrer Dienerin gehört und antwortete, da dessen erste Hälfte nicht nach ihrem Sinn gewesen, nun auf die zweite: »Behüte Gott, daß solch ein trefflicher Mann, den ich so herzlich geliebt habe und der mein Gatte war, mit meinem Willen wie ein Hund verscharrt oder auf die Straße geworfen werden sollte. Meine Tränen sind ihm geworden. So sollen ihm denn auch, soweit es an mir liegt, die der Seinigen zuteil werden, und schon zeigen sich mir die Mittel, wie wir es zu bewerkstelligen haben.«
    Nach diesen Worten befahl sie ihr, eilig ein Stück Seidenzeug zu holen, das sie als Vorrat im Schranke liegen hatte, breitete dieses, als die Dienerin es gebracht hatte, auf dem Boden aus, legte mit deren Hilfe die Leiche des Gabriotto darauf und schob ihr ein Kissen unter den Kopf. Dann drückte sie ihm Augen und Mund unter vielen Tränen zu, bekränzte ihn mit Rosen, überschüttete ihn ganz mit allen übrigen Blüten, die sie zusammen gepflückt hatten, und sagte endlich zur Dienerin: »Es ist nicht weit bis zur Tür seines Hauses, und so wollen wir ihn denn beide, du und ich, geschmückt wie wir ihn haben, forttragen und dort an der Schwelle niederlegen. Binnen kurzem wird es ja Tag, und dann wird die Leiche gefunden und aufgehoben werden. Den Seinen freilich wird unsere Sorgfalt keinen Trost gewähren können. Ich aber, in deren Armen er gestorben ist, werde mich daran freuen.«
    Als sie so gesprochen hatte, fiel sie dem toten Körper abermals mit einem Strom von Tränen um den Hals und weinte eine lange Weile. Erst auf vielfältiges Drängen der Dienerin, und als der Tag zu dämmern begann, richtete sie sich auf, zog sich den Ring vom Finger, mit dem Gabriotto sich ihr vermählt hatte, und sagte, während sie ihn an den seinigen steckte: »Mein treuer Gemahl, wenn deine Seele jetzt meine Tränen sieht oder der Körper, nachdem jene ihn verlassen, noch fähig ist, etwas zu empfinden oder wahrzunehmen, so nimm das letzte Geschenk deines Weibes, das du im Leben so zärtlich geliebt hast, freundlich auf.« Und mit diesen Worten sank sie bewußtlos auf die Leiche nieder. Sobald sie sich aber ein wenig erholt hatte, nahm sie mit Hilfe der Dienerin das Tuch, auf dem der tote Körper lag, und sie trugen es zum Garten hinaus und schlugen den Weg nach seinem Hause ein.
    Während sie aber noch dahin unterwegs waren, traf es sich, daß einige von der Wache des Stadtrichters, die zufällig um eben diese Zeit einer Amtsverrichtung nachgingen, ihnen begegneten und die Leiche, die sie trugen, gewahrten. Als Andreola, welcher der Tod willkommener gewesen wäre als das Leben, die Scharwache erkannte, sagte sie unerschrocken: »Ich sehe wohl, wer ihr seid, und daß fliehen zu wollen nichts fruchtete. Auch bin ich bereit, euch vor die Obrigkeit zu folgen und ihr zu berichten, wie es sich mit dieser Angelegenheit verhalte. Soll ich aber nachher nicht über euch Beschwerde führen, so wage es niemand, solange ich euch willig folge, mich zu berühren oder dieser Leiche irgend etwas von ihrem Schmucke zu rauben.« Infolge dieser Rede gelangte sie, ohne daß einer sich unterstanden hätte, sie zu berühren oder die Leiche zu versehren, auf das Stadthaus.
    Der Stadtrichter stand auf, sobald es ihm gemeldet worden war, und befragte sie in seinem Zimmer über das Vorgefallene. Auch ließ er den Leichnam von Ärzten untersuchen, ob sich Spuren fänden, daß der arme Mensch durch Gift oder auf andere Weise umgebracht worden wäre. Alle verneinten es und erklärten, es sei ihm ein Geschwür in der Nähe des Herzens aufgebrochen und habe ihn erstickt. Als der Stadtrichter diesen Ausspruch vernahm und erkannte, daß man sie keines Verbrechens zeihen konnte, wollte er sich das Ansehen geben, als schenke er ihr, was

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