Das Dekameron
er ihr doch nicht hätte verkaufen können, und versprach ihr die Freiheit, wenn sie zuvor seinen Lüsten nachgeben wolle. Weil aber diese Worte bei der Dame nichts fruchteten, wollte er wider Fug und Recht Gewalt anwenden. Andreola indes, welcher Zorn und Abscheu ungewohnte Kräfte gaben, verteidigte sich hartnäckig und überhäufte ihn mit Schimpfworten und Ausdrücken ihrer Verachtung.
Inzwischen war der helle Tag angebrochen, und Herr Negro hatte zu seiner tiefsten Betrübnis das Geschehene erfahren. Sogleich begab er sich, von vielen seiner Freunde begleitet, auf das Stadthaus und verlangte, sobald der Stadtrichter ihm alles berichtet, unwillig seine Tochter zurück. Der Stadtrichter, der es für geraten hielt, sich selbst wegen der Gewalt anzuklagen, die er ihr hatte antun wollen, bevor die Dame es täte, lobte zuerst sie und ihre Standhaftigkeit und bekannte sodann, als besten Beweis für jene, was er getan habe und mit welchem Erfolg. Daß er sie dabei so unerschütterlich gefunden, setzte er hinzu, habe ihm die wärmste Liebe zu ihr eingeflößt, und wenn es Herrn Negro als ihrem Vater und ihr selbst angenehm sei, werde er sie trotz ihrer früheren Verbindung mit einem Menschen niederen Standes gern zur Gemahlin nehmen.
Während nun beide noch miteinander redeten, trat Andreola vor ihren Vater, warf sich weinend vor ihm nieder und sagte: »Vater, ich glaube, es ist unnötig, daß ich Euch die Geschichte meiner Verwegenheit und meines Unglücks erzähle, denn gewiß habt Ihr sie bereits vernommen und kennt sie zur Genüge. Darum bitte ich Euch denn, so innig und so demütig wie ich nur kann, um Verzeihung für das Vergehen, daß ich ohne Euer Wissen mir den zum Manne genommen habe, der mir am besten gefiel. Ich bitte Euch darum, nicht damit mir das Leben geschenkt werde, sondern damit ich als Eure Tochter und nicht als Eure Feindin sterben kann.« Mit diesen Worten sank sie weinend zu seinen Füßen auf den Boden.
Herr Negro, der schon bei Jahren und überhaupt wohlwollenden und liebevollen Gemüts war, begann bei der Rede seiner Tochter zu weinen, richtete sie voller Zärtlichkeit unter Tränen auf und sagte dann: »Meine Tochter, freilich wäre es mir viel lieber gewesen, hättest du einen Mann gehabt, wie er nach meiner Ansicht dir angemessen gewesen wäre. Wenn du ihn aber nach deinem Gefallen gewählt hättest, so hätte der von dir Erwählte notwendig auch mir gefallen. Daß du mir jedoch deine Wahl verborgen hast, kränkt mich wegen deines geringen Zutrauens zu mir. Noch mehr aber schmerzt es mich, daß du ihn verloren hast, bevor ich noch davon wußte. Da es indes nun einmal so ist, will ich zu deiner Beruhigung wenigstens dem Toten antun, was ich gern dem Lebenden gewährt hätte, ihm nämlich die Ehre erweisen lassen, die meinem Eidam zukommt.«
Darauf wandte er sich zu seinen Kindern und Verwandten und hieß sie für Gabriotto ein großes und ehrenvolles Begräbnis zurüsten. Inzwischen waren auch die männlichen und weiblichen Angehörigen des jungen Mannes, die von dem Vorfall Nachricht erhalten hatten, und außer ihnen fast so viele Männer und Frauen herbeigekommen, als in der Stadt waren. So wurde denn die Leiche, die mitten im Hofe auf Andreolas Tuch lag und noch mit all den Rosen geschmückt war, nicht allein von ihr und seinen weiblichen Verwandten, sondern von fast allen Frauen in der Stadt und von vielen Männern öffentlich beweint und alsdann nicht nach Art eines gemeinen Mannes, sondern eines großen Herrn aus dem Hofe des Stadthauses auf den Schultern der edelsten Bürger unter großen Ehren zur Gruft getragen.
Nach einigen Tagen wiederholte der Stadtrichter seine bereits gemachten Anträge, und Herr Negro sprach davon zu seiner Tochter. Sie aber wollte nichts davon hören, und da der Vater bereit war, ihr den Willen darin zu lassen, nahm sie mit ihrer Dienerin in einem wegen seiner Heiligkeit berühmten Kloster den Schleier, wo sie beide noch lange ein tugendhaftes Leben führten.
Siebente Geschichte
Simona liebt den Pasquino. Als sie miteinander in einem Garten sind, reibt Pasquino sich mit einem Salbeiblatt die Zähne und stirbt. Simona wird festgenommen und stirbt gleichfalls, als sie ein anderes jener Salbeiblätter an den Zähnen zerreibt, um dem Richter zu zeigen, wie Pasquino gestorben ist.
Als Panfilo sich seiner Erzählerpflicht entledigt hatte, zeigte der König kein Mitleid für Andreola, sondern gab Emilia durch einen an sie gerichteten Blick zu
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