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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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erkennen, er wünsche, daß sie mit einer Geschichte denen, die vor ihr gesprochen, nachfolgen möge. Sie aber begann, ohne im mindesten zu zögern, also:
    Liebe Freundinnen, die Geschichte, die Panfilo uns erzählt hat, veranlaßt mich, euch eine andere mitzuteilen. Sie gleicht jener nur darin, daß die Liebende, von der ich euch erzählen will, ihren Geliebten wie Andreola in einem Garten verlor und daß sie gleich dieser festgenommen wurde, obwohl weder ihre Kraft noch ihre Standhaftigkeit, sondern allein ihr plötzlicher Tod sie von den Gerichten befreite. Wie schon früher unter uns bemerkt worden ist, verschmäht Amor, obgleich er die Schlösser adeliger Herren gern bewohnt, deshalb keineswegs die Herrschaft über die Hütten der Armen, sondern zeigt vielmehr in diesen seine Kraft zuweilen in solchem Maße, daß die Reicheren ihn eben hier als übermächtigen Gebieter kennen und fürchten lernen. Dies wird, wenn nicht vollständig, so doch zum Teil meine Geschichte erhellen, mit welcher ich in unsere Stadt zurückzukehren gesonnen bin, von der wir uns heute in unseren verschiedenen Geschichten so lange entfernt und von entlegenen Weltgegenden gesprochen haben.
    Es war nämlich vor nicht gar langer Zeit in Florenz ein ganz hübsches und für seinen Stand gar artiges Mädchen, das Simona hieß und eines armen Mannes Tochter war. Obgleich sie sich vom Wollespinnen ernährte und so mit ihrer Hände Arbeit das Brot verdienen mußte, das sie essen wollte, so hatte sich die Armut ihrer Gesinnung doch so wenig bemächtigt, daß sie sich von jener nicht abschrecken ließ, die Liebe in ihr Herz aufzunehmen, die seit geraumer Zeit mit dem gefälligen Betragen und den freundlichen Worten eines jungen Mannes Einlaß begehrte, der um nichts vornehmer war als sie und ihr für einen Wollweber, bei dem er diente, Wolle zu spinnen gab.
    So sehr aber auch das gefällige Äußere des jungen Mannes, der Pasquino hieß und sie ebenfalls liebte, die Simona entflammt hatte, so getraute sie sich bei dem lebhaftesten Verlangen doch nicht, weitere Schritte zu tun, sondern stieß nur unter dem Spinnen bei jedem Endchen Wollfaden, das sie um die Spule wand, in Gedanken an den, in dessen Auftrag sie spann, tausend Seufzer aus, die heftiger brannten als Feuer. Auf der ändern Seite war auch er ausnehmend sorgsam geworden, daß die Wolle seines Herrn gut gesponnen würde, und mahnte um die der Simona aufgetragene am häufigsten, als ob allein aus dieser und aus keiner ändern alles Tuch gewoben werden sollte. Wie nun der eine fortwährend bat, die andere aber Vergnügen daran fand, gebeten zu werden, wurde er allmählich dreister, als er früher zu sein pflegte, und sie verlor einen großen Teil ihrer sonst gewohnten Furcht und Scham, bis sie sich endlich in voller Gewährung gegenseitiger Freuden einigten. An diesen Freuden fanden beide Teile solches Gefallen, daß sie, weit entfernt die Aufforderung des ändern abzuwarten, sich beiderseitig mit Vorschlägen zu ihrer Wiederholung entgegenkamen.
    Während sie nun diese Vergnügungen vom einen zum ändern Tag fortsetzten und sich in ihrer Wiederkehr immer mehr entflammten, sagte Pasquino eines Tages zur Simona, sie müsse sich ihm zu Gefallen unbedingt so einzurichten wissen, daß sie mit ihm einen Garten, in den er sie führen wolle, besuchen könne, damit sie dort in größerer Muße und geringerer Furcht beisammen seien. Simona erklärte sich damit einverstanden. Dann redete sie eines Sonntags ihrem Vater ein, sie wolle den Ablaß von San Gallo besuchen, und ging statt dessen mit einer Freundin namens Lagina in den Garten, den Pasquino ihr genannt hatte. Hier fanden sie ihn schon mit einem seiner Kameraden, der Puccino hieß, aber gewöhnlich Stramba genannt wurde, und während dieser in der Eile eine Liebschaft mit Lagina anfing, ließen Pasquino und Simona sie am einen Ende des Gartens und verloren sich am ändern, um ihre gewohnten Vergnügungen zu wiederholen.
    Nun stand dort, wo Pasquino und seine Geliebte sich befanden, zufällig ein Salbeibusch von besonderer Größe, neben dem sie sich niedersetzten und sich eine gute Weile miteinander ergötzten. Dann redeten sie noch lange über das Vesperbrot, das sie mit aller Gemächlichkeit in diesem Garten einnehmen wollten, wobei Pasquino sich dem großen Salbeibusch zuwendete, ein Blatt davon abpflückte und sich mit der Bemerkung, daß ihm der Salbei am besten alles wegnähme, was etwa vom Essen zurückgeblieben sei, Zähne und Zahnfleisch

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