Das Dekameron
du einen großen Teil deiner Reichtümer wirst umsetzen sehen. Überdies wirst du dort bessere Gelegenheit haben, dich auszubilden und gute Sitte und feines Betragen zu lernen, als hier, wenn du die großen Herren, die Barone und Edelleute beobachtest, die dort besonders zahlreich sind. Hast du alsdann dir ihre Sitten zu eigen gemacht, so magst du wieder hierher zurückkehren.«
Der Knabe war der Rede aufmerksam gefolgt, antwortete nun aber mit wenig Worten, er wolle von alldem nichts tun, denn er denke, so gut wie ein anderer, in Florenz bleiben zu können. Die guten Leute erklärten ihm zwar ausführlich, warum sie seine Antwort mißbilligten; da sie indes keine andere aus ihm herausbringen konnten, erstatteten sie der Mutter über alles Bericht. Diese sagte ihm dann in heftigem Zorne, nicht so sehr wegen seiner Weigerung, nach Paris zu gehen, als vielmehr über seine Liebschaft, harte Worte. Dann aber suchte sie ihn durch freundlichere Reden wieder zu gewinnen und schmeichelte und bat ihn auf das zärtlichste, daß er ihr zu Gefallen tun möge, was seine Vormunde verlangten. In der Tat wußte sie ihm so viel vorzureden, daß er sich bereit erklärte, auf ein Jahr, aber nicht länger, nach Paris zu gehen.
So reiste Girolamo denn ab. Als er aber, seine heftige Liebe im Herzen tragend, in Paris angelangt war, wurde er von einem Tage zum ändern so lange hingehalten, bis zwei Jahre verstrichen waren. Endlich, verliebter denn je zuvor nach Florenz heimgekehrt, fand er seine Salvestra an einen ehrlichen Bürgersmann verheiratet, der ein Zeltmacher war, und er grämte sich deshalb über die Maßen. Da er indes einsah, daß die Sache nun doch nicht mehr zu ändern sei, suchte er für seinen Gram auf andere Weise Trost zu gewinnen. Zu diesem Zweck erfragte er ihre Wohnung und ging alsdann nach Art der verliebten Jünglinge häufig vor ihrem Hause vorüber; denn er dachte nicht anders, als sie werde ihn ebensowenig vergessen haben, wie er sie. Doch verhielt es sich damit ganz anders. Sie gedachte seiner nicht mehr, als ob sie ihn nie gesehen hätte, und wenn sie sich ja noch einigermaßen an ihn erinnerte, so drückte sich wenigstens in ihrem Benehmen das Gegenteil aus. Girolamo wurde dies in kurzer Zeit gewahr und betrübte sich sehr darüber. Dennoch tat er, was er nur konnte, um ihre Neigung wiederzugewinnen, und als alles ihm nichts zu fruchten schien, beschloß er, und wenn es sein Leben kostete, wenigstens noch einmal mit ihr zu reden.
Nachdem er sich in dieser Absicht von einem Nachbarn das Innere ihres Hauses genau hatte beschreiben lassen, schlich er sich eines Abends, als sie mit ihrem Manne in die Nachbarschaft gegangen war, heimlich hinein und versteckte sich in ihrem Schlafzimmer hinter einigen Stücken Zeltleinwand, die dort ausgebreitet waren. Hier wartete er, bis sie zurückkamen und zu Bett gingen und er den Mann schlafen hörte. Dann trat er an die Seite des Bettes, wo er Salvestra sich hatte niederlegen sehen, legte ihr die Hand auf die Brust und sagte leise: »Liebes Herz, schläfst du schon?« Das junge Weib wachte noch und war im Begriff zu schreien. Er aber sagte hastig: »Schreie nicht, um Himmels willen, ich bin ja dein Girolamo.« Darauf erwiderte sie heftig zitternd: »Um Gottes willen, Girolamo, geh wieder fort. Die Zeit ist jetzt vorbei, wo wir als Kinder ineinander verliebt sein durften. Ich bin, wie du siehst, verheiratet, und da wäre es ja eine Schande, wollte ich mich mit einem ändern einlassen als mit meinem Manne. Darum bitte ich dich um Gottes Barmherzigkeit willen, daß du fortgehst; denn hörte dich mein Gatte, so wäre, selbst wenn kein anderes Unglück daraus entstünde, doch die Folge, daß ich mein Leben lang nicht wieder in Ruh und Frieden mit ihm leben könnte, während ich jetzt, weil er mich liebhat, glücklich und zufrieden bin.«
Der Jüngling, der sich über diese Rede heftig betrübte, erinnerte sie an die vergangene Zeit und an seine Liebe, die sich auch in der Ferne niemals verringert habe, bestürmte sie mit Bitten und den größten Versprechungen, konnte aber dessenungeachtet nichts von ihr erlangen. Da bat er sie denn endlich, weil er sich nichts mehr wünschte als den Tod, daß sie ihm zum Lohn für so große Liebe weiter nichts gestatten möge, als daß er sich so lange neben ihr niederlegen dürfe, bis er sich ein wenig erwärmt hätte, denn er sei während der Zeit, da er auf sie gewartet habe, vor Kälte völlig erstarrt. Er versprach dabei, weder ein Wort zu
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