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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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von mäßiger Größe stehen, der uns, wenn der Meister ihn nicht wieder ins Haus hineingenommen hat, zu unserem Vorhaben trefflich zustatten kommen wird. Da können wir ihn hineintun, ihm zwei oder drei Messerstiche versetzen und ihn dann ruhig liegenlassen. Wer ihn alsdann dort finden wird, kann unmöglich Grund zu der Annahme haben, daß er von hier aus und nicht von anderswoher dahin gebracht worden sei. Jeder wird vielmehr voraussetzen, daß einer seiner Feinde ihn, als einen übermütigen Menschen, auf bösen Wegen angetroffen, ermordet und dann in jenen Kasten getan habe.«
    Die Dame billigte den Rat der Magd bis auf die Messerstiche, die diese ihm versetzen wollte; denn das zu tun, sagte sie, brächte sie um nichts in der Welt übers Herz. So ließ sie denn die Magd nachsehen, ob der Kasten noch dastehe, worauf diese eine bejahende Antwort zurückbrachte. Dann nahm die Magd, die jugendkräftig war, den Ruggieri auf die Schultern, wobei ihr die Dame behilflich war und nun vorausging, um aufzupassen, ob jemand käme. So brachten sie den vermeintlichen Toten zu dem Kasten, taten ihn hinein und ließen ihn, nachdem sie jenen wieder verschlossen, ruhig darin zurück.
    Nicht weit von eben diesem Hause waren seit einigen Tagen ein paar junge Männer eingezogen, die Geld auf Wucherzinsen liehen. Im Verlangen, viel zu gewinnen und wenig auszugeben, hatten sie, als sie tags zuvor jenen Kasten gesehen, miteinander verabredet, ihrem Bedürfnis nach Hausgeräten abzuhelfen und ihn, wenn er die Nacht über dort stehenbliebe, in ihr Haus zu tragen. Als die Mitternacht gekommen war, schlichen sie sich aus ihrem Hause und nahmen den Kasten, den sie noch an seinem Platze fanden, obgleich er ihnen ein wenig schwer vorkam, dennoch, ohne sich auf eine weitere Untersuchung einzulassen, eilig mit sich zurück und stellten ihn neben der Kammer auf, wo ihre Frauen schliefen. Dabei nahmen sie sich nicht einmal die Zeit, ihn gehörig zurechtzurücken und zu befestigen, sondern ließen ihn stehen, wie er eben stand, und gingen schlafen.
    Als Ruggieri nun schon gar lange geschlafen, das Getränk verdaut und dessen Kraft besiegt hatte, erwachte er kurz vor dem Frühgeläute. Obgleich ihn der Schlaf verlassen und die Sinne ihre Tätigkeit wiedergewonnen hatten, blieb ihm doch eine Betäubung im Gehirn zurück, die ihn nicht allein in dieser Nacht, sondern auch noch während der folgenden Tage verwirrte. Wie er also jetzt die Augen auftat und nichts sah und beim Umhertappen mit den Händen sich in den Kasten eingeschlossen fand, besann er sich hin und wieder und sagte bei sich selber: »Was will das nur bedeuten? Wo bin ich? Schlaf ich oder wach ich? Ich erinnere mich doch noch, daß ich heute abend in das Zimmer meiner Geliebten kam, und jetzt ist mir, als wär' ich in einem Kasten. Wie in aller Welt hängt das zusammen? Sollte der Arzt zurückgekommen sein oder sonst etwas sich zugetragen haben, um dessentwillen die Frau mich, während ich schlief, hier eingesperrt hätte? So denk ich es mir, und so ist es ganz gewiß.« Infolge dieser Vermutung hielt er sich ganz ruhig und horchte nur, ob er etwas vernähme.
    Als er aber eine geraume Zeit in einer wegen der Kleinheit des Kastens ziemlich unbequemen Stellung zugebracht hatte, und als die Seite, auf der er lag, ihn sehr zu schmerzen anfing, wollte er sich auf die andere umwenden und stellte sich dabei so ungeschickt an, daß er durch einen Stoß mit der Hüfte gegen die eine Seite des Kastens, der auf etwas ungleichen Boden gestellt war, diesen erst ins Schwanken brachte und nachher völlig umwarf. Dieser Fall machte einen solchen Lärm, daß die Frauenzimmer, die ganz in der Nähe schliefen, davon aufwachten, zugleich aber auch aus lauter Furcht ganz stillblieben. Ruggieri war über das Umstürzen des Kastens gewaltig erschrocken. Da er aber gewahr wurde, daß dieser von dem Fall aufgesprungen war, zog er es vor, sich lieber draußen als dort drinnen antreffen zu lassen.
    Weil er indes nicht recht wußte, wo er war, und ihm alles durcheinanderging, fing er an, im Hause umherzutappen, um zu sehen, ob er keine Treppe oder Tür zum Entwischen fände. Die Frauenzimmer, die noch wach waren, hörten dieses Tappen und riefen: »Wer da?« Ruggieri gab aber, da er die Stimmen nicht erkannte, keine Antwort. Nun riefen die Frauen den beiden jungen Männern, doch diese schliefen, weil sie lange aufgeblieben waren, gar fest und vernahmen von all dem Lärm nichts. Dadurch wurden die Frauenzimmer noch

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