Das Dekameron
gewartet, als er den Cabestaing, der sich nichts Arges von ihm versah, unbewaffnet mit zwei ebenfalls unbewaffneten Dienern des Weges kommen sah. Kaum war dieser nun an der Stelle, wo jener ihn haben wollte, als er tückisch und voll Ingrimm unter dem Ruf: »Du bist des Todes!« mit vorgestreckter Lanze über ihn herfiel und im selben Augenblick seine Brust durchbohrte. So fiel Cabestaing, ohne das mindeste zu seiner Verteidigung tun zu können, und starb nach wenigen Augenblicken, ohne daß er imstande gewesen wäre, nur noch ein Wort zu reden.
Seine Diener hatten indessen, bevor sie noch erkannt, von wem dieser Überfall ausgegangen war, eiligst die Häupter ihrer Rosse herumgewandt und waren nach der Burg ihres Herrn geflohen, so schnell sie vermochten. Roussillon aber stieg vom Pferde, öffnete dem Cabestaing mit einem Messer die Brust und nahm mit eigenen Händen das Herz heraus. In ein Lanzenfähnchen eingehüllt, ließ er es sich von einem der Diener nachtragen und ritt alsdann, nachdem er ihnen allen eingeschärft hatte, daß keiner sich unterstehen solle, von dem Geschehenen ein Wort zu sagen, da es schon Nacht geworden war, in seine Burg zurück.
Die Dame hatte vernommen, daß Cabestaing zum Abendessen kommen wollte, und erwartete ihn mit der größten Sehnsucht. Als er aber ausblieb, verwunderte sie sich gar sehr und sagte zu ihrem Gemahl: »Herr, was ist das nur, daß Cabestaing noch immer nicht gekommen ist?« Der Mann aber erwiderte: »Frau, er hat mich wissen lassen, daß er vor morgen nicht hier sein kann«, worüber die Dame mißgestimmt blieb.
Inzwischen aber hatte sich Roussillon, als er kaum vom Pferd gestiegen war, den Koch rufen lassen und zu ihm gesagt: »Nimm dieses Eberherz und mache daraus das beste und wohlschmeckendste Gericht, das du weißt, und schicke es mir dann in einer silbernen Schale zur Tafel.« Der Koch nahm das Herz, zerhackte es, tat viele gute Gewürze dazu und bereitete so nach aller seiner Kunst und Geschicklichkeit eine äußerst schmackhafte Schüssel.
Herr Guillem setzte sich, sobald es Zeit war, mit seiner Gemahlin zu Tisch. Die Speisen wurden aufgetragen, das Verbrechen aber, das zu begehen er im Begriff stand, lag ihm so sehr in Gedanken, daß er nur wenig aß. Endlich schickte der Koch das Herz. Herr Guillem ließ die Speise vor die Dame setzen, weil er, wie er vorgab, diesen Abend keinen Appetit hätte, und empfahl sie ihr als besonders vorzüglich. Die Dame, der es nicht an Hunger fehlte, versuchte das Gericht, und da sie es wohlschmeckend fand, verzehrte sie es ganz und gar.
Als der Gemahl sah, daß die Dame die Schüssel leergegessen hatte, sagte er: »Frau, was meint Ihr von der Speise?« Sie entgegnete: »Beim Himmel, Herr, sie hat mir gut geschmeckt.« »Das glaube ich Euch«, erwiderte der Ritter, »so wahr mir Gott helfe, und ich finde es ganz natürlich, daß Euch das, was Euch lebendig vor allem ändern behagte, auch nun, da es tot ist, behagt.« Bei diesen Worten stutzte die Dame einen Augenblick, dann aber sagte sie: »Und was war es denn, das Ihr mir zu essen gabt?« »Was Ihr gegessen habt«, entgegnete der Ritter, »war wahrlich das Herz des Herrn Guillem Cabestaing, das Ihr als ein pflichtvergessenes Weib geliebt habt. Zweifelt nicht, es war es wirklich; denn ich habe es ihm selber, kurz bevor ich zurückkam, mit diesen meinen Händen aus dem Leib gerissen.«
Wie sehr es die Dame schmerzte, über den, welchen sie vor allen liebte, solche Botschaft zu erhalten, brauche ich euch nicht erst zu berichten. Nach einer Weile aber sagte sie: »Ihr tatet wie ein ehrloser und niederträchtiger Ritter; denn wenn ich, ohne von Cabestaing gezwungen zu sein, ihn zum Gebieter meines Herzens erwählt hatte und dadurch Eurer Ehre zu nahe getreten war, so durfte mich, nicht aber ihn dafür die Strafe treffen. Das aber soll, so Gott will, nie geschehen, daß ich eine andere Speise nach einer so edlen genieße, als das Herz des Herrn Guillem Cabestaing war, den an Tapferkeit und adliger Sitte kein anderer Ritter übertraf.« Mit diesen Worten stand sie auf und stürzte sich, ohne einen Augenblick zu zögern, rücklings aus einem hinter ihr befindlichen Fenster. Da dies Fenster hoch über dem Boden war, blieb die Dame von dem Sturz nicht allein auf der Stelle tot, sondern ihr Körper war auch fast ganz zerschmettert.
Uber diesen Anblick erschrak Herr Guillem sehr und glaubte nun selber, übel getan zu haben. Aus Furcht vor der Rache des Volkes und des Grafen von
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