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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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furchtsamer, sprangen auf, liefen ans Fenster und schrien: »Diebe, Diebe!«
    Auf das Geschrei hin kamen die Nachbarn auf verschiedenen Wegen, der eine über das Dach, der andere hier, der dritte dort herum in das Haus gelaufen, und auch die jungen Männer wachten von dem Lärm auf. Da nahmen sie denn den Ruggieri gefangen, der vor Verwunderung, sich in jenem Hause zu befinden, fast die Besinnung verloren hatte und keinen Ausweg sah, auf dem er hätte entfliehen können oder sollen, und übergaben ihn den Lanzenknechten des Statthalters von Salerno, die über dem Auflauf bereits herbeigeeilt waren.
    Diese führten ihn vor ihren Gebieter, welcher den Ruggieri, weil er allgemein für einen ruchlosen Menschen galt, sogleich auf die Folter spannen ließ. Ruggieri gestand auch, er habe sich in das Haus der Wucherer geschlichen, um dort zu stehlen, und der Statthalter war gesonnen, ihn ohne viel Federlesens aufknüpfen zu lassen.
    Inzwischen verbreitete sich noch während des Vormittags die Nachricht, daß Ruggieri im Hause der Wucherer beim Stehlen betroffen worden sei, durch ganz Salerno und drang auch zu den Ohren der Dame und ihrer Magd. Diese aber waren darüber so erstaunt und betroffen, daß sie schier der Meinung waren, was sie in der vorigen Nacht getan, hätten sie nicht wirklich getan, sondern nur zu tun geträumt. Zugleich aber betrübte sich die Dame so über die Gefahr, in der Ruggieri schwebte, daß sie fast den Verstand darüber verloren hätte.
    Indes waren noch nicht viel mehr als anderthalb Stunden seit Sonnenaufgang verstrichen, als der Arzt von Amalfi zurückkehrte und, da er nun die Operation an dem Kranken vorzunehmen gedachte, nach dem bereitgestellten Wasser verlangte. Als er aber das Fläschchen leer fand, schimpfte er gewaltig, daß er nichts im Hause in seiner rechten Ordnung erhalten könne. Die Frau, der anderer Gram durch den Kopf ging, antwortete verdrießlich: »Meister, was sagtet Ihr erst über eine Sache von Bedeutung, wenn Ihr über ein Fläschchen Wasser schon solchen Lärm vollführt, als ob in der ganzen Welt kein Wasser mehr zu haben wäre.« Darauf erwiderte der Arzt: »Frau, du bildest dir ein, das sei reines Wasser gewesen. So verhält es sich aber keineswegs; vielmehr war es ein Wasser, das bereitet war, um jemand einzuschläfern.« Und damit erzählte er ihr, wozu es ihm habe dienen sollen.
    Als die Frau diesen Aufschluß erhielt, erriet sie wohl, daß Ruggieri dieses Wasser getrunken habe und deshalb von ihnen für tot gehalten worden sei. Darum sagte sie zu ihrem Gatten: »Meister, das haben wir nicht gewußt, und so bereitet es Euch noch einmal.« In der Tat ließ der Wundarzt, da er sah, daß es keine andere Möglichkeit gab, den Schlaftrunk aufs neue bereiten.
    Bald darauf aber kehrte die Magd heim, die auf Befehl der Dame ausgegangen war, um zu hören, was über Ruggieri gesagt werde, und erzählte ihr: »Madonna, von Ruggieri hört man überall nichts Gutes. Soviel ich erfahren habe, hat sich weder ein Freund noch ein Verwandter für ihn verwendet, noch ist Hoffnung, daß es in Zukunft geschehen werde. So glaubt man denn mit Gewißheit, der Blutrichter werde ihn morgen hängen lassen. Außerdem will ich Euch aber eine Neuigkeit erzählen, aus der ich zu erraten glaube, wie er in das Haus der Wucherer gekommen ist. Damit verhält es sich nämlich so: Ihr kennt ja den Tischler, vor dessen Haus der Kasten stand, in den wir den Ruggieri taten. Diesen nun traf ich eben im heftigsten Wortwechsel mit einem ändern, dem der Kasten vermutlich gehören muß. Der verlangte das Geld für den Kasten, der Meister aber antwortete, er habe ihn nicht verkauft, sondern er sei ihm in der vorigen Nacht gestohlen worden. Darauf entgegnete jener wieder: >Das lügst du, denn du hast ihn an die zwei Wucherer verkauft, wie sie mir selbst heute früh erzählt haben, als ich ihn bei Ruggieris Festnahme in ihrem Hause sah.< Der Tischler erwiderte: >Da lügen sie, und ich habe ihn nicht an sie verkauft, wohl aber mögen sie ihn diese Nacht bei mir gestohlen haben. Darum wollen wir gleich zu ihnen hingehen. < Und so gingen sie friedlich miteinander in das Haus der Wucherer, ich aber eilte heimwärts. So scheint mir denn klar, wie auch Ihr schon durchschaut haben werdet, auf welche Weise Ruggieri in jenes Haus gebracht worden ist, in dem er gefangen wurde. Wie er aber dort auferstanden ist, das begreife ich noch nicht.«
    Die Dame erkannte indes den ganzen Zusammenhang nun völlig und erzählte auch

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