Das Dekameron
der Magd, was sie von ihrem Gatten vernommen hatte. Dann aber bat sie dieselbe inständig, bei Ruggieris Rettung mitzuwirken, da sie, wenn sie wolle, zur gleichen Zeit Ruggieris Leben und die Ehre ihrer Gebieterin erhalten könne. Die Magd erwiderte: »Madonna, sagt mir nur wie, und ich will gern alles tun.«
Die Dame, der das Messer an der Kehle saß, hatte in aller Eile einen Plan gefaßt, um alles wieder ins rechte Lot zu bringen, und teilte diesen der Magd ausführlich mit. Diesem Plan zufolge ging die letztere weinend zu dem Arzt und sagte: »Ach, Herr, ich habe Euch wegen eines argen Vergehens, das ich wider Euch begangen, um Verzeihung zu bitten.« »Und was wäre das?« entgegnete der Meister. »Herr«, sagte die Magd, ohne darum im Weinen innezuhalten, »Ihr wißt ja, was für ein Mensch der Ruggieri von Jeroli ist.
Nun, der hat ein Auge auf mich geworfen, und da habe ich heuer, halb aus Furcht und halb aus Liebe, seine Liebste werden müssen. Und als er gestern abend erfahren hatte, daß Ihr auswärts wäret, hat er mir so viel vorgeredet, daß ich ihn zuletzt mit in Euer Haus und in meine Kammer nahm, um ihn über Nacht bei mir zu behalten. Wie er nun solchen Durst bekam und ich in der Eile nicht wußte, wo ich sonst Wein oder Wasser hernehmen sollte - denn Eure Frau war im Saal, und vor ihr wollte ich mich nicht sehen lassen -, fiel mir ein, daß ich in Eurem Zimmer ein Fläschchen mit Wasser hatte stehen sehen. Geschwind holte ich's ihm, er trank es aus, und ich setzte es wieder hin, wo ich's hergenommen hatte. Nun habt Ihr darüber so schrecklich gescholten, und gewiß, ich habe unrecht getan. Wer vergeht sich aber nicht zuweilen? Ich hab es auch schon bitterlich bereut, und zwar nicht allein um dessentwillen, sondern infolge der ganzen Geschichte soll Ruggieri nun auch noch sein Leben verlieren. Darum bitte ich Euch denn, so sehr ich nur kann, vergebt mir und erlaubt mir, hinzugehen und dem Ruggieri zu helfen, so gut ich's vermag.« Als der Arzt diese Erzählung vernommen hatte, antwortete er, seines Ärgers ungeachtet, mit einem Spaße: »Nun, du hast dir die Buße selbst auferlegt; denn während du dir einen Bettgenossen versprachst, der dir die Glieder wacker durchschütteln sollte, hattest du einen Siebenschläfer. So gehe denn für jetzt nur und rette deinen Liebsten vom Galgen. In Zukunft aber laß ihn mir aus dem Hause, denn träf ich ihn wieder an, so solltest du mir für diesmal noch mit bezahlen.«
Die Magd meinte, der erste Wurf sei ihr nicht übel gelungen, und begab sich in aller Eile zu dem Gefängnis, in dem Ruggieri saß. Dort wußte sie dem Schließer so viel vorzureden, daß er sie mit dem Gefangenen sprechen ließ. Sobald sie ihn zur Genüge über alles belehrt hatte, was er, um loszukommen, dem Richter sagen solle, ging sie selbst zum letzteren und wurde wirklich vorgelassen. Da das Mädchen ein frisches und derbes Ding war, befand der Richter für gut, die mitleidige Fürbitterin genauer zu sondieren, ehe er ihr weiteres Gehör schenkte, was sie sich denn auch, zu besserer Förderung ihres Anliegens, gern gefallen ließ. Als sie mit dieser Untersuchung fertig geworden waren, sagte sie: »Herr, Ihr habt den Ruggieri von Jeroli als einen Spitzbuben gefangen, tut ihm aber unrecht.« Und damit erzählte sie ihm die alte Geschichte wieder von Anfang bis zu Ende, wie sie seine Liebste sei, wie sie ihn über Nacht in des Arztes Haus geführt, wie sie ihm, ohne es zu wissen, den Schlaftrunk gegeben und ihn für tot in den Kasten getan habe. Dann berichtete sie ihm auch die Reden, die sie zwischen dem Tischlermeister und dem Eigentümer des Kastens mit angehört, und machte ihm dadurch begreiflich, auf welche Weise Ruggieri in das Haus der Wucherer gekommen war.
Der Richter sah wohl ein, daß es bei dieser Angelegenheit nicht schwer sei, die Wahrheit zu entdecken, und fragte zu diesem Zwecke zunächst den Arzt, ob es sich mit dem Schlaftrunk wirklich so verhalte. Dann ließ er den Tischler, den Eigentümer des Kastens und die Wucherer kommen und brachte nach vielem vergeblichem Gerede wirklich heraus, daß die letzteren in der vergangenen Nacht den Kasten gestohlen und in ihr Haus gebracht hatten. Endlich schickte er auch nach dem Ruggieri und fragte ihn, wo er die letzte Nacht zugebracht habe. Dieser erwiderte, wo er sie wirklich zugebracht habe, das wisse er nicht. Wohl aber erinnere er sich, zur Magd des Meisters Mazzeo gegangen zu sein, in der Absicht, die Nacht über dort zu
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