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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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sorgen, daß ein anderer das Erdreich bestelle, wo es locker ist. Ich habe ihn zum Manne genommen und ihm eine gute Mitgift zugebracht, weil ich voraussetzte, daß er ein Mann sei und begehre, wonach die Männer von Natur aus Verlangen zu tragen angewiesen sind. Hätte ich ihn nicht für einen Mann gehalten, wahrlich, so hätte ich ihn nicht geheiratet. Warum nahm er, da er doch wußte, daß ich ein Weib bin, mich aber zur Frau, wenn ihm die Weiber zuwider waren? Wahrhaftig, das ist nicht zu ertragen. Hätte ich mich von der Welt zurückziehen wollen, so wäre ich ins Kloster gegangen. Nun wollte ich aber in der Welt leben und lebe darin. Soll ich jedoch warten, bis dieser Mensch mir Lust und Vergnügen gewährt, so werde ich über dem fruchtlosen Warten wohl alt und grau werden. Will ich meine Reue bis dahin verschieben, so werde ich umsonst bejammern, daß ich meine Jugend unbenutzt gelassen habe. Ist er mir doch selbst der beste Lehrmeister, von dem ich lernen kann, womit ich mich zu trösten habe. Er sucht seine Vergnügungen eben da, wo auch ich sie zu finden habe und wo sie für mich löblich, für ihn aber die ärgste Schmach sind. Folge ich meinem Verlangen, so handele ich nur den bürgerlichen Gesetzen zuwider, während er die Ordnung der Natur und die Gesetze zugleich Übertritt.«
    Als das gute Weibchen diese Betrachtungen bei sich angestellt und vielleicht mehr als einmal wiederholt hatte, zog sie, um insgeheim zur Verwirklichung ihrer Wünsche zu gelangen, eine ältere Frau ins Vertrauen, die so fromm schien wie die heilige Verdiana, welche die Schlangen fütterte. Denn zu jedem Ablaß ging sie, den Rosenkranz in der Hand, und redete nie von etwas anderm als vom Leben der heiligen Kirchenväter oder von den Wundmalen des heiligen Franziskus. Drum galt sie auch fast allgemein für eine halbe Heilige. Dieser nun eröffnete unser Weibchen, als es ihr an der Zeit schien, ihr Verlangen ohne allen Rückhalt. Die Alte aber antwortete: »Gott, der alle Dinge kennt, weiß, daß du sehr wohl daran tun wirst. Und wäre es aus keinem anderen Grunde, so müßtest du und gleich dir müßten alle anderen jungen Weiber also verfahren, damit ihr die Zeit eurer Jugend nicht ungenutzt verstreichen laßt. Wahrlich, für jeden Einsichtigen gibt es keinen größeren Schmerz als den, seine Zeit verloren zu haben. Und zu was, zum Teufel, sind wir denn, wenn wir einmal alt geworden sind, noch zu brauchen, als etwa die Asche in der Kohlenpfanne zu hüten? Ich weiß davon mitzureden, wenn keine andere es könnte oder wollte; denn nun, da ich alt bin, erkenne ich mit schwerer, bitterer, leider aber vergeblicher Reue, wie schlecht ich meine Zeit genutzt habe. Zwar so ganz und gar habe ich auch meine Jugendzeit nicht verloren - ich möchte ja nicht, daß du glaubst, ich sei eine dumme Gans gewesen -, doch tat ich bei weitem nicht, was ich hätte tun können. Sehe ich mich nun an, wie ich gegenwärtig aussehe, daß kein Mensch mehr zu bewegen wäre, mir Feuer zu schlagen, und erinnere ich mich, was ich versäumt habe, so weiß Gott am besten, wie sehr ich mich gräme.
    Mit den Männern ist das anders. Die Männer sind zu tausenderlei Dingen bestimmt, nicht bloß zu diesem einen, und die Mehrzahl taugt im Alter viel mehr als in der Jugend. Wir Weiber aber kommen nur zu diesem Zwecke und um Kinder zu gebären auf die Welt; nur um dessentwillen schätzt man uns. Vermöchtest du dies aus nichts anderem zu erkennen, so müßte es dir schon dadurch klar werden, daß wir Weiber jeden Augenblick zu jener Sache bereit sind, während das bei den Männern keineswegs der Fall ist. Überdies kann ein Weib zehn Männer von Kräften bringen, noch so viele Männer aber vermögen nicht, ein Weib zu ermüden. Du siehst also, wir sind dazu geboren, und so wiederhole ich dir denn, daß du ganz recht tust, wenn du mit dem Maße, mit dem dein Mann dir gemessen, ihm wieder missest. Enthältst du dich dessen, so muß ich fürchten, daß einst im Alter deine Seele dem Fleisch über das Versäumte Vorwürfe machen wird. Von dieser Welt hat ein jeder gerade so viel, als er sich davon zunutze macht. Das gilt mehr noch als von den ändern von uns Weibern, und so müssen wir denn die Gelegenheit, solange sie sich uns bietet, weit sorgfältiger wahrnehmen als die Männer. Sieh doch nur selber, wie es geht: sind wir erst alt geworden, so mag weder der Ehemann noch sonst jemand uns vor Augen haben. In die Küche jagen sie uns, damit wir die Katze unterhalten oder uns

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