Das Dekameron
abgezogen war, sah er den, der geniest hatte und noch immerfort nieste, weil der Schwefeldampf ihn in die Nase biß. Noch nieste er zwar, doch hatte der Schwefel ihm die Luftröhre schon so zusammengezogen, daß es nur ein paar Augenblicke später mit dem Niesen und mit allem ändern auf immer für ihn vorbeigewesen wäre. Als Ercolano dies gewahr ward, rief er: >Weib, nun sehe ich wohl, warum du eben zuvor, als wir kamen, uns so lange vor der Tür hast stehen lassen, ohne aufzutun. Aber ich will doch nie wieder froh werden, wenn ich dich dafür nicht gründlich bezahlen Bei diesen Worten entfloh die Frau, die ihr Vergehen entdeckt sah, ohne zu ihrer Entschuldigung ein Wort zu sagen, von der Mahlzeit, und was aus ihr geworden ist, weiß ich nicht. Ercolano aber, der die Flucht seiner Frau gar nicht bemerkt hatte, befahl dem Niesenden wiederholt, herauszukommen. Dieser war jedoch in einem solchen Zustande, daß er sich nicht zu regen vermochte, was Ercolano auch redete. Da faßte er ihn bei einem Bein und zog ihn heraus und lief dann nach einem Messer, um ihn totzustechen. Weil ich aber fürchtete, durch diese Geschichte selbst vor den Richter zu kommen, sprang ich auf und litt nicht, daß er ihn tötete oder ihm sonst ein Leid zufügte. Vielmehr verteidigte ich ihn und schrie so lange, bis Nachbarn herbeikamen und den jungen Menschen, der sich schon verloren gab, fortbrachten, wohin, weiß ich nicht. So war denn unser Abendessen gestört, und ich habe es, wie ich dir sagte, nicht einmal gekostet, geschweige denn, wie es meine Absicht war, zu mir genommen.«
Als das Weibchen diese Geschichte vernahm, erkannte sie wohl, daß andere Frauen nicht minder verständig waren als sie, daß aber auch hin und wieder einmal ein Unglück dazwischenkomme. So hätte sie denn die Frau des Ercolano gern mit deutlichen Worten verteidigt. Da sie indes durch den Tadel eines fremden Fehltritts den Verdacht von dem ihrigen besser abzulenken gedachte, begann sie folgendermaßen zu reden: »Nun, das sind mir schöne Geschichten. Eine rechte Tugendheldin und saubere Heilige muß das ja sein.
So kann man sich auf den Schein der Ehrbarkeit verlassen! Wäre ich doch selbst bei ihr zur Beichte gegangen, so fromm und sittsam konnte sie tun. Und was noch schlimmer ist, sie ist nachgerade bei Jahren und gibt den jüngeren Frauen solch ein Beispiel! So soll doch die Stunde vermaledeit sein, in der sie zur Welt kam, und sie selbst nicht minder, daß sie in dieser Welt fortlebt als ein so ehrvergessenes, verworfenes Geschöpf, als eine gemeinsame Schmach und Schande für alle Frauen in dieser ganzen Stadt! Den Anstand tritt sie mit Füßen und alle Ehre vor der Welt und bricht die Treue, die sie ihrem Manne gelobt hat, einem wackeren Manne und ehrenwerten Bürger, der so gut gegen sie war, und scheut sich nicht, wegen solch eines Kerls sich selbst und zugleich auch noch ihren Mann zu brandmarken. So wahr mir Gott helfe, mit solchen Weibsbildern sollte man gar kein Mitleid haben. Umbringen sollte man sie, lebendig mitten ins Feuer stecken, bis sie zu Asche verbrannt wären.«
Inzwischen gedachte sie aber wieder ihres Liebhabers, den sie dort in nächster Nähe unter dem Hühnerkorb versteckt hatte, und darum fing sie an, dem Pietro zuzureden, daß er doch zu Bett gehen möge, da es schon Schlafenszeit sei. Pietro jedoch hatte mehr Lust zum Essen als zum Schlafen und fragte deshalb, ob nichts zum Abendbrot da sei. Die Frau aber antwortete: »Abendbrot! Da hat sich was mit Abendbrot! Als ob wir gewohnt wären, ein Abendessen zu besorgen, wenn du nicht daheim bist! Ja, wenn ich Ercolanos Frau wäre! Geh nur, geh und sieh für heute abend, daß du einschläfst. Es ist das beste, was du tun kannst.«
Nun traf es sich, daß an ebenjenem Abend einige Arbeitsleute des Pietro mit Sachen für ihn vom Lande gekommen waren und ihre Esel, ohne sie getränkt zu haben, in einen Stall neben jenem Hausflur eingestellt hatten. Einer dieser Esel, der an unmäßigem Durste litt, hatte indessen den Kopf aus dem Halfter gezogen und den Weg aus dem Stall nach dem Flur gefunden, wo er jetzt alles beroch, ob er nicht vielleicht Wasser fände. Bei dieser Gelegenheit stieß er auch auf den Korb, unter dem der junge Bursche steckte. Dieser mußte auf allen vieren kauern, so daß die Finger seiner einen Hand ein wenig unter dem Korb hervorkamen. Zu seinem Glück oder Unglück, wie wir es nehmen wollen, geschah es nun, daß der Esel ihm auf die Finger trat, weshalb er über den
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