Das Dekameron
alles wieder in denselben Zustand, wie sie es gefunden hatten, und kehrten, ohne von jemand bemerkt worden zu sein, vergnügt mit ihrer Feder nach Hause zurück, wo sie voller Neugier erwarteten, was Bruder Cipolla sagen werde, wenn er statt der Feder die Kohlen fände.
Inzwischen gingen die Männer und die einfältigen Weiblein, die in der Kirche gewesen waren und vernommen hatten, daß sie nachmittags um drei Uhr eine Feder des Engels Gabriel zu sehen bekommen sollten, nach beendeter Messe wieder heim, und ein Nachbar teilte dem ändern, eine Gevatterin der nächsten die Nachricht mit. So strömten denn, nachdem alle zu Mittag gegessen hatten, im sehnsüchtigen Verlangen, die Feder zu sehen, so viele Männer und Weiber in dem Burgflecken zusammen, daß sie kaum darin Platz fanden. Bruder Cipolla erhob sich indes, nachdem er gut zu Mittag gespeist und darauf ein wenig geschlafen hatte, bald nach drei Uhr von seinem Lager und ließ auf die Nachricht hin, daß schon eine große Menge von Landleuten herbeigeströmt sei, um die Feder zu sehen, dem Guccio Schmutzfink sagen, er möge mit dem Glöcklein hinaufkommen und den Quersack mitbringen. Nur mit Mühe vermochte dieser sich von der Küche und der Nuta loszureißen.
Doch tat er es und langte keuchend und außer Atem, weil das viele Wassertrinken ihm den Leib so aufgetrieben hatte, mit den begehrten Gegenständen oben an. Dann stellte er sich auf das Geheiß des Bruders Cipolla an die Kirchentür und läutete sein Glöcklein nach Kräften. Bruder Cipolla aber begann, wie er das Volk beisammen sah, ohne zu bemerken, daß jemand über seinen Sachen gewesen war, die Predigt und sagte gar vielerlei, das ihm für seine Absichten dienlich schien. Als es nun endlich so weit war, daß er die Feder des Engels Gabriel zeigen sollte, sprach er zuerst mit großer Feierlichkeit das Confiteor, dann ließ er zwei Wachsfackeln anzünden, nahm die Kapuze ab, wickelte langsam den Taffet auf und zog das Kästchen hervor. Hierauf sagte er noch einige Worte zu Lob und Preis des Engels Gabriel und seiner Reliquie und öffnete alsdann das Kästchen.
Da er dieses nun mit Kohlen angefüllt sah, fiel ihm nicht etwa ein, daß Guccio Trampeltier ihm das könnte getan haben; denn er wußte gut genug, daß er zu so etwas nicht Witz genug hatte. Auch verwünschte er ihn nicht, daß er das Kästchen nicht besser vor den Händen anderer, von denen dieser Streich ausgegangen war, behütet hatte. Auf sich selbst aber fluchte er im stillen, daß er die Obhut seiner Sachen dem Guccio anvertraut hatte, von dem er doch selbst wußte, wie er war; >unbedacht, ein Feind der Pflicht, ein fauler Wicht, und was er soll, das tut er nicht.< - Ohne indes die Farbe zu wechseln, erhob Bruder Cipolla Augen und Hände gen Himmel und sagte, so daß ihn alle vernahmen: »O Gott, gepriesen sei immerdar deine Allmacht!« Dann machte er das Kästchen wieder zu und sagte, zum Volk gewandt:
»Ihr Herren und ihr Frauen, ihr müßt wissen, daß ich zu einer Zeit, da ich noch sehr jung war, von meinem Obern in jene Länder geschickt wurde, wo die Sonne aufgeht. Dabei war mir der ausdrückliche Auftrag erteilt, den Porzellanprivilegien nachzuforschen, welche stempeln zu lassen zwar nichts kostet, die aber dennoch ändern Leuten von weit größerem Nutzen sind als uns. Zu diesem Zweck machte ich mich von Venedig aus auf den Weg, passierte die Vorstadt Griechenland und ritt dann durch das Königreich Algarbien über Bagdad nach Parione, von wo ich nicht ohne beträchtlichen Durst nach Sardellien gelangte. Doch wozu soll ich euch die Länder, die ich durchreist habe, einzeln aufzählen? Genug, ich setzte über den Arm des heiligen Georg und kam nach Lügeland und Trügeland, welche Gegenden von zahlreichen Völkern dicht besiedelt sind. Von hier aus erreichte ich Täuschenhausen, woselbst ich viele von unseren Klostergeistlichen und eine Menge von Mönchen anderer Orden antraf, welche um Gottes willen sämtliches Ungemach mieden und, solange sie nur ihren Vorteil dabei fanden, sich um fremde Mühseligkeiten wenig kümmerten, auch in jenen Ländern nie anderes Geld ausgaben als falsches.
Darauf gelangte ich in das Land der Abruzzen, wo Männer und Frauen in Holzschuhen auf die Berge klettern und die Schweine in ihre eigenen Kaldaunen wickeln. Nur wenig weiterhin traf ich Leute, welche das Brot an Stöcken und den Wein in Säcken trugen. Von diesen kam ich dann in das Wurmgebirge, wo alles Wasser abwärts fließt, und in kurzem
Weitere Kostenlose Bücher