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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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diese Kohlen zu schauen. Vorher aber sollt ihr wissen, daß, wer mit diesen Kohlen in dem Zeichen des Kreuzes berührt ist, während des ganzen folgenden Jahres sicher sein darf, daß kein Feuer ihn brennen kann, ohne daß er es fühle.«
    Nachdem er also gesprochen und einen Lobgesang auf den heiligen Laurentius angestimmt hatte, öffnete er das Kästchen und zeigte die Kohlen. Eine Zeitlang beschaute sie die einfältige Menge mit ehrfurchtsvollem Erstaunen. Bald aber drängten sie sich ungestüm um den Bruder Cipolla und verlangten unter viel größeren Opfern, als sie sonst zu geben gewohnt waren, inständig, daß er einen jeden mit den heiligen Kohlen berühre.
    Diesen Bitten zufolge nahm Bruder Cipolla eine jener Kohlen nach der anderen zur Hand und malte ihnen auf ihre Jacken und weißen Hemden und den Weibern auf ihre Kopftücher so große Kreuze, als nur irgend darauf Platz hatten. Dabei versicherte er ihnen, daß, wie er schon oftmals erfahren, ebensoviel, wie von diesen Kohlen durch das Aufmalen der Kreuze abgerieben werde, in dem Kästchen von selbst wieder nachwüchse.
    So machte Bruder Cipolla nicht ohne erheblichen Nutzen für sich die Bewohner von Certaldo zu Kreuzrittern; denjenigen aber, die ihm einen Possen zu spielen gedachten, indem sie ihm seine Feder Wegnahmen, spielte er durch seine Geistesgegenwart einen ebenso großen. Beide waren in der Predigt, und als sie hörten, wie geschickt er sich aus der Verlegenheit zu ziehen wußte und wie weit er dazu ausholte und mit was für Redensarten, gerieten sie in ein solches Lachen, daß sie fürchten mußten, die Maulsperre zu bekommen. Nachdem aber die Volksmenge sich verlaufen hatte, gingen sie zu ihm, entdeckten ihm unter dem größten Jubel der Welt, was sie getan hatten, und gaben ihm seine Feder zurück. Diese trug ihm im folgenden Jahr nicht weniger ein als im heurigen die Kohlen.
    Diese Geschichte hatte der ganzen Gesellschaft ungemeines Vergnügen und Ergötzen gewährt, und allgemein hatte man über den Bruder Cipolla und besonders über seine Pilgerfahrt und die Reliquien gelacht, die er teils gesehen, teils mitgebracht hatte. Als die Königin wahrnahm, daß die Geschichte und mit dieser ihr Regiment ein Ende genommen hatte, erhob sie sich von ihrem Sitze, nahm sich den Lorbeerkranz vom Haupte und setzte ihn auf Dioneos Haupt, indem sie lächelnd sprach: »Zeit ist es, o Dioneo, daß du auf eine Weile erfährst, was es heißen will, Weiber lenken und regieren zu müssen. Sei denn nun König und führe dein Regiment so, daß wir es bei seinem Ende loben können.« Lachend empfing Dioneo den Kranz und antwortete: »Wertere Könige als mich werdet ihr freilich schon manchmal gesehen haben, die Schachkönige mit eingerechnet. Wahrlich aber, wolltet ihr mir gehorchen, wie es einem echten Könige zu gehorchen Pflicht ist, so wollte ich euch Freuden genießen lassen, ohne die jeder Lustbarkeit etwas zum vollen Ergötzen fehlt.
     
    Besser indessen, ich schweige davon. Genug, ich will regieren, so gut ich es vermag.«
    Hierauf ließ er, wie es üblich geworden war, den Seneschall herbeikommen und gebot ihm in der gehörigen Reihenfolge, was er zu tun habe, solange sein Regiment dauerte. Dann aber sagte er: »Schon auf mancherlei Weise, ihr verehrten Damen, ist vom menschlichen Scharfsinn und von den mannigfachen Geschicken gesprochen worden, so daß ich fürchten mußte, lange Zeit zu brauchen, um eine solche Aufgabe zu finden, wäre nicht Frau Licisca vor kurzer Zeit hierher gekommen, um mir durch ihr Gerede für die morgigen Erzählungen einen Gegenstand an die Hand zu geben. Wie ihr vernommen habt, hat sie behauptet, daß keine aus ihrer Bekanntschaft als Jungfrau zu ihrem Gatten gekommen sei, und ferner hinzugefügt, daß sie wohl wisse, wie zahlreich und arg die Streiche seien, die auch die Ehefrauen ihren Männern spielen. Wenn wir nun auch die erste Hälfte dieser Behauptung auf sich beruhen lassen - denn das sind nur Kindereien -, so halte ich doch dafür, daß über die zweite ergötzlich zu sprechen sei. Aus diesem Grunde ist denn mein Wille, weil Frau Licisca uns einmal darauf gebracht hat, daß morgen von den Streichen erzählt werde, welche, sei es aus Liebe oder um sich aus einer Verlegenheit zu ziehen, Frauen ihren Männern gespielt haben, mögen diese es nun gewahr geworden sein oder nicht.«
    Einige von den Damen meinten, daß es sich nicht recht für sie schicke, solch einen Gegenstand in ihren Erzählungen zu behandeln, und baten

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