Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
Vom Netzwerk:
Giovanni stehen), zwischen den dort befindlichen Porphyrsäulen und der Pforte von San Giovanni, die damals verschlossen war. Da kam von ungefähr Messer Betto mit seiner Gesellschaft zu Pferde über den Platz der Santa Reparata, und wie sie den Guido unter jenen Grabmälern gewahr wurden, sagten sie zueinander: »Gehen wir, ihm ein wenig zuzusetzen.« Mit diesen Worten gaben sie ihren Pferden die Sporen und waren nach Art eines scherzhaften Überfalls um ihn her, fast ehe er sie bemerkt hatte. Darauf sagten sie zu ihm: »Guido, du verschmähst es, an unserer Gesellschaft teilzunehmen. Wenn du nun aber herausgebracht hast, daß kein Gott ist, was wirst du dann davon haben?«
    Sofort antwortete Guido, der sich ganz von ihnen eingeschlossen sah: »Ihr Herren, hier, in eurem Hause, muß ich mir wohl gefallen lassen, daß ihr mir sagt, was euch gutdünkt.« Und mit diesen Worten stützte er die Hand auf eines jener Grabmäler von beträchtlicher Größe, und leicht wie er war, schwang er sich mit einem Satz auf die andere Seite und eilte, ihnen so entschlüpft, schnell von dannen.
    Die Zurückgebliebenen sahen eine Weile einer den ändern an und meinten, Guido müsse wohl nicht recht bei sich gewesen sein, denn was er ihnen da geantwortet habe, komme auf gar nichts heraus. Wo sie jetzt eben seien, hätten sie ja kein Haar mehr zu sagen als alle ändern Bürger und Guido nicht weniger als irgendeiner von ihnen. Messer Betto aber wandte sich zu ihnen und sagte: »Ihr seid es, die nicht recht bei sich sind, wenn ihr ihn nicht verstanden habt. Denn in wenig Worten und ohne den Anstand zu verletzen, hat er uns die größte Grobheit von der Welt gesagt. Diese Grabmäler sind ja, wenn ihr wohl aufmerken wollt, die Häuser der Toten; denn in sie legt man die Toten und in ihnen weilen sie. Diese nun nennt er unsere Wohnung, um anzudeuten, daß wir und alle ändern ungelehrten und unwissenden Leute im Vergleich mit ihm und den übrigen Gelehrten für geringer als Tote zu achten sind. Darum sagte er, wenn wir uns hier befänden, seien wir zu Hause.«
    Nun erst verstand ein jeder, was Guido hatte sagen wollen, und so beschämt fielen sie ihm nie mehr zur Last. Den Messer Betto aber hielten sie in Zukunft für einen einsichtigen und klugen Edelmann.
     

Zehnte Geschichte
     
     
    Bruder Cipolla verspricht den Bewohnern eines Landstädtchens, ihnen eine Feder des Engels Gabriel zu zeigen. Da er aber an deren Stelle Kohlen findet, sagt er, sie seien von denen, mit welchen der heilige Laurentius geröstet ward.
     
    Da jeder von der Gesellschaft seine Geschichte erzählt hatte, erkannte Dioneo, daß die Reihe nun an ihm sei. Ohne daher eine feierliche Aufforderung abzuwarten, gebot er denen Stillschweigen, welche noch die tiefsinnige Antwort des Guido zu loben fortfuhren, und begann mit folgenden Worten:
    Obgleich, ihr reizenden Damen, mir das Vorrecht gewährt ist zu erzählen, was mir gefällt, gedenke ich mich doch heute nicht von dem Gegenstand zu entfernen, den ihr sämtlich in euren Geschichten gar angemessen behandelt habt. Vielmehr will ich euch, in eure Fußstapfen tretend, erzählen, wie geschickt einer der Mönche des heiligen Antonius durch eine schnell ersonnene Auskunft der Verhöhnung entging, die zwei junge Leute ihm zu bereiten gedachten. Laßt es euch dabei nicht verdrießen, wenn ich, um die Geschichte gehörig zu erzählen, etwas ausführlich werde; denn wollt ihr nach der Sonne sehen, so werdet ihr bemerken, daß sie noch auf halber Höhe steht.
    Wie ihr vielleicht gehört haben werdet, ist Certaldo ein Burgflecken der Florentiner Landschaft, im Elsatal gelegen, und obwohl es an Umfang nur klein ist, war es doch einst von adeligen und wohlhabenden Leuten bewohnt. Weil er nun hier vorzügliche Weide traf, pflegte ein Mönch des heiligen Antonius, der Bruder Cipolla hieß, lange Zeit hindurch jährlich einmal hier vorzusprechen, um die Almosen einzusammeln, welche die kurzsichtigen Leute jenen Mönchen gewähren. Vielleicht war er nicht weniger um seines Namens willen als wegen sonstiger Frömmigkeit hier willkommen, da die Umgegend jenes Städtchens jene Gewächse hervorbringt, die durch ganz Toskana berühmt sind und denen er seinen Namen verdankt: die Zwiebeln nämlich.
    Bruder Cipolla war untersetzter Gestalt, rötlichen Haares und munteren Gesichts, dabei der abgefeimteste Spitzbube der Welt, und obwohl er keinerlei Unterricht genossen hatte, wußte er doch trefflich und ohne langes Besinnen zu reden, so daß,

Weitere Kostenlose Bücher