Das Dekameron
verliebt war, so ließ sie mit Hilfe einer Dienerin Federigo wissen, daß er nach einem schön gelegenen Weinberg kommen möge, den Gianni in der Camerata besaß, um mit ihr zu sprechen. Dort pflegte sie den ganzen Sommer über zu wohnen; Gianni aber kam nur zuweilen heraus, um zu Abend zu essen und zu übernachten, und ging am ändern Morgen in seine Werkstätte zurück und bisweilen zu seinen Betbrüdern. Federigo, dem nichts erwünschter sein konnte, verfügte sich am bezeichneten Tag gegen Abend hinauf, wo er, da Gianni die ganze Nacht nicht erschien, gemächlich und in großer Lust mit der Geliebten speiste und bei ihr herbergte, indes sie in seinem Arme ruhte und ihn die Nacht hindurch wohl sechs von den Lobgesängen ihres Mannes lehrte. Da nun weder sie noch er diese erste Nacht die letzte bleiben zu lassen gedachten, so verabredeten sie, damit die Magd ihn nicht immer erst zu bestellen brauchte, für ihre künftigen Zusammenkünfte Folgendes: Sooft Federigo nach einer kleinen Besitzung, die er etwas weiter den Berg hinauf hatte, ginge, oder sooft er von dort zurückkäme, sollte er auf einen Eselskopf achten, der nahe bei Giannis Haus auf einen Rebpfahl gesteckt war. Wäre der Eselskopf mit der Schnauze nach Florenz gekehrt, so möchte er denselben Abend bei Einbruch der Dunkelheit ohne Scheu zu ihr kommen und, fände er etwa die Tür verschlossen, nur dreimal leise klopfen, worauf sie ihm schon öffnen werde. Sähe aber der Eselskopf mit der Schnauze nach Fiesole hin, so möchte er fortbleiben, weil dann Gianni draußen übernachtete.
Auf solche Weise verschafften sich die zwei manche Zusammenkunft. Einmal aber, als Federigo mit Monna Tessa zu Nacht essen wollte und sie deshalb zwei fette Kapaune hatte bereiten lassen, geschah es, daß Gianni gegen alle Abrede spät abends herauskam. Der Frau kam dies gar ungelegen. Sie ließ denn ihrem Manne ein wenig Salzfleisch, das sie nebenher hatte kochen lassen, vorsetzen und befahl der Magd, die beiden Kapaune nebst einer Anzahl frischer Eier und einer Flasche guten Weines in ein weißes Tischtuch einzuschlagen und im Garten am Fuße eines Pfirsichbaumes, der am Rande eines kleinen Wiesenflecks stand, niederzulegen. In diesen Garten aber, in dem sie schon öfter mit Federigo zu Abend gegessen hatte, konnte man gelangen, ohne durch das Haus zu gehen. So ärgerlich aber war sie, daß sie ganz vergaß, der Magd zu sagen, sie solle dort warten, bis Federigo gekommen wäre, um ihm zu sagen, daß Gianni gekommen sei, er aber solle essen, was im Garten läge.
Nun war sie gar nicht lange mit Gianni zu Bett gegangen und die Magd desgleichen, als Federigo ankam und einmal leise an die Tür klopfte, welche der Schlafkammer so nahe war, daß Gianni es augenblicklich vernahm und seine Frau ebenso; doch um in Gianni womöglich keinen Argwohn zu wecken, tat sie, als schliefe sie fest. Federigo wartete einen Augenblick und pochte zum zweiten Male. Darüber verwunderte sich Gianni, stieß die Frau an und sagte: »Tessa, hörst du nichts? Mir ist's, als würde an unsere Tür geklopft.« Die Frau, die es nur allzu gut gehört, tat, als erwache sie aus tiefem Schlafe und fragte: »Was sagst du?« »Ich sage«, antwortete Gianni, »daß es mir vorkommt, als werde an unsere Tür geklopft.« »Geklopft?« fragte die Frau, »weh mir, liebster Gianni, weißt du nicht, was das ist? Das Gespenst ist es, vor dem ich all die Nächte her die entsetzliche Angst ausgestanden habe. Sobald ich es nur klopfen hörte, habe ich den Kopf unter das Bett gesteckt und nicht eher den Mut gehabt, ihn herauszuziehen, als bis es hellichter Tag war.« Darauf sprach Gianni: »Frau, laß nur gut sein und fürchte dich nicht, wenn es auch das Gespenst ist. Ich habe vorhin das >Te lucis< und das >Intemerata< gesprochen und viele andere Gebete, als wir zu Bette gingen, und habe das Bett auch von einer Ecke zur ändern im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes gesegnet, und darum hast du nichts zu fürchten; denn, wie schlimm auch das Gespenst sein mag, uns kann es nicht schaden.«
Die Frau sorgte sich indes, daß Federigo anderweitigen Verdacht schöpfen und sich mit ihr Überwerfen möchte. Daher beschloß sie, jedenfalls aufzustehen und ihm begreiflich zu machen, daß Gianni anwesend sei. Deshalb antwortete sie ihrem Gatten: »Schon recht. Du hast gut reden. Aber ich werde weder Ruhe noch Frieden finden, bevor wir nicht das Gespenst beschworen haben, da du nun einmal hier bist.«
Weitere Kostenlose Bücher