Das Dekameron
Soweit diese Hänge nach der Mittagsseite abfielen, waren sie von Weinreben, Oliven, Mandel- und Kirschbäumen, Feigen und vielen ändern fruchtbringenden Bäumen ganz überdeckt, ohne daß nur eine Spanne unbelaubt geblieben wäre. Die Abhänge aber, welche den mitternächtigen Wagen anschauten, strotzten und grünten so dicht, wie es der Raum nur zuließ, von Eichen, Eschen und allerlei anderm Gebüsch. Die Talebene dagegen, die außer dem einen Eingang, durch den die Damen gekommen waren, keinen zweiten besaß, war mit Edeltannen, Zypressen, Lorbeerbäumen und einigen dazwischengestreuten Pinien in so wohl verteilten und geordneten Gruppen bewachsen, als hätte der für solche Anlagen geschickteste Künstler sie gepflanzt. Durch dieses Laubdach vermochten die Strahlen der Sonne, auch wenn sie hoch stand, entweder gar nicht oder doch nur sehr sparsam auf den Boden zu dringen, der eine einzige Wiese des kürzesten grünen Grases bildete, zwischen dem unzählige purpurfarbene und andere Blumen sprossen.
Was aber außerdem nicht minder erfreute als alles übrige, war ein Bächlein, das aus einem Tale, welches zwei jener Hügel trennte, über mehrere Felsstufen niederfloß, im Fallen ein dem Ohr angenehmes Rauschen hervorrief und in so glänzenden Wasserstaub sich zerschlug, daß man von ferne Quecksilber zu sehen glaubte, welches infolge eines Druckes in kleinen Tröpfchen aus einem Behältnis hervorspritzt. Auf dem Boden des kleinen Tales angelangt, sammelte sich das Wasser in einem schmalen Bette, durch das es eilig bis zur Mitte der Ebene dahinfloß, um dort ein Teichlein zu bilden, nicht größer als die Weiher sind, welche die Städter, wo die Gelegenheit sich dazu bietet, in ihren Gärten anzulegen pflegen. Dieser kleine Teich war nicht tiefer, als um einem Manne bis an die Brust zu reichen, und da das Wasser ohne die leiseste Trübung war, gestattete es in seiner Klarheit, genau zu erkennen, daß der Grund aus dem feinsten Kiese bestand, und hätte jemand die Muße dazu gehabt, er wäre imstande gewesen, die einzelnen Steinchen zu zählen. Aber wer auf das Wasser sah, erblickte nicht nur den Grund, sondern zugleich so viele hin und her schießende Fische, daß es, neben dem Vergnügen, Staunen erregte. Kein anderes Ufer umschloß dieses Wasserbecken als allein der Rand jener Wiese, die um so schöner grünte, je näher sie sich zu dem Teiche niedersenkte und je mehr sie von seiner Feuchtigkeit erfrischt ward. Alles Wasser, das im Umfang dieses Beckens keinen Raum fand, wurde von einem zweiten Bett aufgenommen, durch welches es aus dem Tale geleitet in das tiefer gelegene Land abfloß.
Als die jungen Damen nun hier angelangt waren und sich nach allen Richtungen umgeblickt hatten, lobten sie zuerst auf das lebhafteste die Schönheit des Ortes; dann aber weckten die große Hitze und der Anblick des kleinen Sees, der vor ihnen lag (und da sie sicher waren, von niemand belauscht zu werden), in ihnen die Lust, sich zu baden. So befahlen sie denn ihrer Dienerin, auf dem Wege, durch den man in das Tal gelangte, Wache zu halten und, im Falle jemand sich nähern sollte, ihnen ein Zeichen zu geben, und alle sieben entkleideten sich. Das Wasser, in das sie nun niederstiegen, verbarg ihre schneeweißen Körper nicht mehr, als ein zartes Glas eine Rose verbirgt. Auch wurde das klare Wasser durch ihre Bewegungen nicht im mindesten getrübt, so daß sie Gefallen daran fanden, den Fischen, die sich nirgends zu verstecken wußten, nachzujagen, so gut es gelang, und zu versuchen, ob sie einige mit den Händen zu fangen vermöchten. Wirklich erhaschten sie unter allgemeinem Jubel ein paar; und da sie eine Zeitlang im Wasser geweilt hatten, stiegen sie heraus und kleideten sich an.
Dem Lobe, das sie diesem schönen Orte bereits erteilt hatten, noch größeres hinzuzufügen, vermochten sie nicht. Da es ihnen indes an der Zeit schien, nach Hause zurückzukehren, machten sie sich unter Gesprächen über die Schönheit dieses Spaziergangs langsamen Schrittes auf den Weg. Ziemlich früh wieder beim Palast angelangt, fanden sie die jungen Männer noch, wie sie sie verlassen hatten, mit dem Spiel beschäftigt. Pampinea sagte lächelnd zu ihnen: »Heute haben auch wir euch angeführt.« »Wie?« antwortete Dioneo, »fangt ihr an zu tun, wovon ihr nachher erzählen sollt?« »Allerdings, Herr König«, entgegnete Pampinea und erzählte ihm ausführlich, woher sie kämen, wie jener Ort beschaffen und wie wenig entfernt er sei, und was sie
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