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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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auf den Weg begab, und nie war ihnen der fröhliche Gesang der Nachtigallen und der übrigen Vögel so reizend vorgekommen wie an diesem Morgen. Von ihren Liedern begleitet, erreichten sie das Tal der Frauen, wo sie von vielen anderen Sängern dieser Art, die sich ihrer Ankunft zu freuen schienen, empfangen wurden. Sie durchstreiften das Tal, sahen alles von neuem genau an, und es schien ihnen um soviel schöner wie den Tag zuvor, da die jetzige Tageszeit seiner Schönheit entsprechender war. Nachdem sie sich mit einigem Zuckerwerk und gutem Wein erquickt hatten, fingen sie, um im Gesang von den Vögeln des Haines nicht übertroffen zu werden, gemeinsam an zu singen, und mit ihnen das Tal, welches immer dieselben Lieder, die sie anstimmten, wiederholte: ein Wettgesang, dem die Vögel, gleichsam als wollten sie nicht besiegt sein, neue süßere Töne hinzufügten.
    Als die Tafelstunde gekommen war, deckte man die Tische unter grünen Bäumen und anderem schönen Laubwerk nahe am Teiche, nahm in der Reihe Platz, wie es dem König beliebt hatte, und betrachtete unterm Essen die Fischlein, welche in großen Scharen durch das Wasser schwammen. Und der Anblick ergötzte nicht nur die Augen, sondern bot zuweilen auch ihren Gesprächen Stoff. Nach beendeter Tafel wurden Speisen und Tische hinweggeräumt, und der Gesang begann aufs neue noch fröhlicher als zuvor. Inzwischen hatte der verständige Seneschall hier und da in dem kleinen Tal Betten aufstellen und sie mit bunten Stoffen und Teppichen verhängen und überdachen lassen. Manche benutzten mit des Königs Urlaub diese Gelegenheit und legten sich schlafen. Wer sich aber nicht schläfrig fühlte, konnte sich nach Belieben in der herkömmlichen Weise erlustigen. Als indes die Stunde gekommen war, wo alle sich erhoben, um sich zum Erzählen zu versammeln, ließ der König nicht fern von der Stelle, wo sie gespeist hatten, Teppiche über das Gras breiten. Dann ließen sie sich am Ufer des kleinen Sees zum Sitzen nieder, und der König gebot Emilia, den Anfang zu machen. Diese begann heiter und lächelnd also zu reden:
     

Erste Geschichte
     
     
    Gianni Lotteringhi hört des Nachts an seiner Tür klopfen, weckt seine Frau und läßt sich von dieser weismachen, es sei ein Gespenst. Beide machen sich daran, dies mit einem Gebet zu beschwören, und das Klopfen hört auf.
     
    Herr König, mir wäre es lieb gewesen, wenn Ihr jemand anders als eben mich berufen hättet, um die erste Geschichte über den schönen Gegenstand, den wir heute behandeln sollen, zu erzählen. Da es aber Euer Wille ist, daß ich allen übrigen besseren Mut einflößen soll, bin ich gern bereit. Und zugleich will ich mir Mühe geben, euch, ihr lieben Mädchen, etwas zu erzählen, was euch für die Zukunft nützlich sein kann. Seid ihr ändern nämlich so furchtsam wie ich, fürchtet ihr euch vor allem so vor Gespenstern, vor denen wir alle die gleiche Angst zu haben pflegen, obgleich ich weder weiß, was sie sind, noch irgendwen kenne, der es zu sagen wüßte, so könnt ihr doch aus meiner Geschichte einen frommen und wohlbewährten Spruch lernen, um sie zu verscheuchen, wenn sie euch jemals heimsuchen sollten.
    Vor Zeiten wohnte zu Florenz in der Straße San Pancrazio ein Wollenweber, der Gianni Lotteringhi hieß und in seinem Handwerk wohlerfahren war, in ändern Dingen aber der Weisheit so ziemlich entbehrte. Er schlug nämlich etwas in die Gattung frommgläubiger Pinsel über, war häufig Anführer der singenden Brüder von Santa Maria Novella und hatte die Aufsicht über ihren Betsaal und andere ähnliche Ämtchen, die ihn nicht wenig mit sich selbst zufrieden machten. Das alles geschah aber, weil er als wohlhabender Mann den Mönchen gar vielmals treffliche Mahlzeiten gab. Wie nun aber überdies der eine ihm Strümpfe, der andere Kragen, der dritte Skapuliere mehrfach abzuschwatzen wußten, lehrten sie ihn allerhand schöne Gebete und gaben ihm das Vaterunser auf italienisch, das Lied des heiligen Alexius, den Klagegesang des heiligen Bernhard, das Loblied der Donna Mathilde und anderes ähnliches Gewäsch, das er sehr hoch hielt und zum Heil seiner Seele sorgfältig aufhob.
    Nun hatte dieser Gianni ein bildhübsches und munteres Weib, welches Monna Tessa hieß und eine Tochter des Manuccio della Cuculia war, eine äußerst gescheite und umsichtige Frau. Die Einfalt ihres Mannes war ihr bekannt, und da sie in Federigo di Neri Pegolotti, einen schönen und blühenden Jüngling, so wie er in sie,

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