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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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Herrn als einen gar klugen und umsichtigen Mann, und da er mir alle seine Angelegenheiten anvertraut, so besorge ich sehr, daß Lydia mit seinem Wissen und Willen dies alles nur tue, um mich zu prüfen. Will sie jedoch, damit ich Sicherheit erlange, drei Dinge tun, die ich von ihr begehren werde, so soll sie mir nachher wahrlich nichts gebieten, das ich nicht sofort zu erfüllen bereit wäre. Die drei Dinge aber, die ich verlange, sind folgende: erstlich, daß sie in des Nikostratus Gegenwart seinen guten Falken töte; dann, daß sie mir eine Locke aus dem Bart des Nikostratus schicke und zuletzt einen von seinen Zähnen, und zwar der besten einen.«
    Schienen diese Forderungen der Lusca hart, so dünkten sie ihrer Gebieterin noch härter. Doch die Liebe, welche die Zaghaftesten mutig und die Einfältigsten verschmitzt macht, gab ihr Gedanken ein, wie sie zu jenem Ziel gelangen könne. So ließ sie ihm denn durch ihre Dienerin bestellen, was er gefordert habe, solle bald und vollständig erfüllt werden. Überdies aber wolle sie noch, da er den Nikostratus für so klug halte, sich in dessen Gegenwart mit Pyrrhus ihrer Liebe freuen und jenem weismachen, daß dies nicht wahr sei.
     
    So begann denn Pyrrhus zu erwarten, was die Edeldame beginne. Als Nikostratus nun einige Tage darauf ein großes Gastmahl gab, wie er dergleichen öfter zu geben pflegte, trat Lydia, als die Tische schon aufgehoben waren, in grünen Samt gekleidet und reich geschmückt in den Saal, wo die Gäste versammelt waren, ging vor den Augen des Pyrrhus und aller ändern zu der Yogelstange, auf welcher der Falke saß, den Nikostratus so werthielt, machte ihn los, als wollte sie ihn auf die Faust nehmen, ergriff ihn bei den Fesseln und schlug ihn gegen die Wand, bis er tot war.
    Nikostratus rief ihr da zu: »Wehe, Weib, was hast du getan?« Sie aber antwortete ihm nicht, sondern wandte sich zu den Edelleuten, die mit ihm gegessen hatten, und sprach: »Ihr Herren, wie sollte ich mich wohl an einem König rächen, der mir Schmach antäte, wenn ich nicht den Mut hätte, an einem Falken Rache zu nehmen? Wisset, daß dieser Vogel mir schon lange all die Zeit geraubt hat, welche die Männer dem Vergnügen ihrer Frauen widmen sollen. Sobald nur die Morgenröte naht, steht Nikostratus auf, steigt zu Pferde und eilt mit dem Falken auf der Hand hinaus in die weiten Ebenen, nur um ihn fliegen zu sehen. Mich läßt er, wie ihr hier seht, einsam und traurig in meinem Bette zurück. Darum gedachte ich schon öfter, das auszuführen, was ich heute getan habe, und nichts anderes hielt mich zurück als die Absicht, es in Gegenwart von Männern zu tun, die - so wie ich es von euch glaube - gerechte Richter meiner Beschwerde wären.«
    Die Edelleute, die dies hörten und überzeugt waren, daß ihre Liebe zu Nikostratus nicht anders beschaffen sei, als ihre Worte tönten, lachten alle und sagten zu Nikostratus, der immer noch erzürnt war: »Oh, wie recht tat die Dame, ihre Kränkung durch den Tod des Falken zu rächen!« Schließlich verwandelten sie, während die Dame schon längst in ihr Gemach zurückgekehrt war, unter mancherlei Scherzen auch des Nikostratus Zorn in Lachen. Pyrrhus aber, der dies mit ansah, sagte zu sich selbst: »Hochherzigen Anfang zu beglückender Liebe hat die Dame gemacht. Wolle Gott, daß sie ausharre.«
    Wenige Tage waren vergangen, seit Lydia den Falken getötet hatte, als sie, während Nikostratus bei ihr in ihrer Kammer weilte, ihn zu liebkosen und mit ihm zu schwatzen anfing. Da er sie im Scherz ein wenig an den Haaren gezogen hatte, nahm sie dies zum Anlaß, die zweite Forderung des Pyrrhus zu erfüllen. Schnell nämlich ergriff sie ein kleines Büschel Barthaare und zog unter Lachen so stark daran, daß sie ihm die Haare ganz aus dem Kinn riß. Nikostratus schalt darüber; sie aber sprach: »Nun, was gibt es denn, daß du solch ein Gesicht machst? Etwa gar weil ich dir sechs Haare aus dem Bart gezogen habe? Das hat dir lange nicht so weh getan wie mir, als du mich an den Haaren zogst.« Und während sie so von einer Rede zur anderen ihren Scherz fortsetzte, hob sie die Locke, die sie ihm aus dem Barte gezupft hatte, sorgfältig auf und schickte sie noch am selben Tage ihrem teuren Geliebten.
    Die dritte Forderung machte der Dame größere Sorge. Doch feinen Verstandes, wie sie war, und durch die Liebe noch mehr gewitzigt, wußte sie einen Weg ausfindig zu machen, auf dem sie auch dieser Forderung genügen zu können hoffte.

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