Das Dekameron
ganz herzhaft zu bleiben, so kommt lieber gar nicht, denn Ihr würdet Euch nur Schaden bereiten, ohne uns den geringsten Nutzen zu verschaffen.«
Hierauf antwortete der Doktor: »Freunde, ihr kennt mich noch nicht. Vielleicht habt ihr Bedenken, weil ich Handschuhe trage und lange Röcke. Wüßtet ihr aber, was ich in Bologna bei der Nacht, wenn ich zuweilen mit meinen Kameraden auf Weiber ausging, für Geschichten gemacht habe, so stauntet ihr. Gottes Treu, es war einmal eine Nacht, da hab ich eine, die nicht mit uns kommen wollte, solch ein kümmerliches Ding und kaum eine Spanne hoch, nachdem ich ihr erst eine gute Portion Faustschläge gegeben, beim Kragen genommen und sie wohl bald einen Pfeilschuß weit fortgeschleppt, und so habe ich es durchgesetzt, daß sie mitkommen mußte, mochte sie wollen oder nicht. Ein andermal, erinnere ich mich, als niemand bei mir war als einer von meinen Dienern, ging ich abends kurz nach dem Ave-Maria beim Kirchhofe der Minoriten vorüber, wo erst am selben Tag eine Frau begraben worden war, und doch hatte ich keine Furcht. Drum sorgt nicht, denn Zuversicht und Mut habe ich eher allzuviel. Und ich sage euch, um an Anstand nichts fehlen zu lassen, werde ich meinen Scharlachrock anziehen, in dem man mich zum Doktor gemacht hat, und dann sollt ihr sehen, ob die Gesellschaft sich freuen wird, wenn sie mich erblickt, und ob ich nicht mit der Zeit zum Hauptmann ernannt werde. Kurz, ihr werdet schon sehen, wie die Sache läuft, wenn ich nur erst einmal dagewesen bin; hat ja jene Gräfin, ohne mich noch gesehen zu haben, sich doch schon so in mich verliebt, daß sie mich zum gebadeten Ritter machen will. Vielleicht wird mir die Ritterschaft schlecht stehen, und ich werde sie schlecht zu behaupten wissen, vielleicht aber auch umgekehrt. Drum laßt mich nur machen.«
»Ihr habt vollkommen recht«, sagte Buffalmacco hierauf. »Aber hütet Euch nur, uns einen Strich durch die Rechnung zu machen, indem Ihr etwa nicht kämt oder nicht gefunden würdet, wenn wir nach Euch schicken. Und dies sage ich darum, weil es kalt ist und ihr Herren Ärzte euch gewöhnlich vor der Kälte sehr in acht nehmt.« »Gott bewahre«, sagte der Doktor hierauf. »Ich gehöre ganz und gar nicht zu den Frostigen und mache mir nichts aus der Kälte. Selten geschieht es, wenn ich nachts um der Notdurft willen aufstehen muß, wie es einem jeden bisweilen begegnet, daß ich mir mehr als meinen Pelz über das Wams werfe; und darum seid unbesorgt, ich werde gewiß zur Stelle sein.«
Damit schieden sie, und als es Nacht zu werden begann, brachte der Doktor zu Hause bei seiner Frau allerhand Ausreden vor, suchte heimlich seinen Scharlachrock hervor, zog ihn an, als es ihm an der Zeit schien, und stieg dann auf eines jener Grabmäler. Da die Kälte groß war, kauerte er sich auf dem Marmor zusammen und fing an, das Kommen des Untiers zu erwarten. Buffalmacco, der groß und kräftig von Gestalt war, hatte sich indes eine jener Masken besorgen lassen, die man bei gewissen, jetzt aus der Übung gekommenen öffentlichen Spielen zu gebrauchen pflegte, und warf sich dann einen schwarzen Pelz über, die Haare nach außen gekehrt, so daß er aussah wie ein Bär, nur daß er einen Teufelskopf mit Hörnern hatte. So angetan, begab er sich, um zu sehen, wie die Sache ablaufen würde, nach dem neuen Platz von Santa Maria Novella, und Bruno folgte ihm in geringer Entfernung. Sobald er gewahrte, daß der Herr Meister dort war, fing er an, Sprünge zu machen und ein gewaltiges Lärmen auf dem Platz zu erheben, zu prusten, zu heulen und zu schnaufen, als wenn er besessen wäre. Als der Doktor dies hörte und sah, stellte sich ihm jedes Haar auf dem Leibe zu Berg, und er fing zu zittern an, wie er denn in der Tat feiger und furchtsamer war als ein Weib; und in jenem Augenblick hätte er sich lieber zu Hause gesehen als an jener Stelle. Nichtsdestoweniger nahm er sich zusammen, weil er doch einmal gekommen war, und zwang sich zu einigem Mut; so sehr trieb ihn das Verlangen, die Wunder zu schauen, von denen jene ihm erzählt hatten.
Nachdem Buffalmacco noch eine Zeitlang in jener Weise fortgewütet hatte, stellte er sich, als würde er ruhiger, näherte sich dem Grabmal, auf welchem der Doktor saß, und blieb stehen. Der Meister zitterte vor Furcht und wußte nicht, was er beginnen sollte, ob aufsteigen oder davonbleiben. Da er jedoch zu fürchten anfing, daß ihm das Ungetüm etwas zuleide tun möchte, wenn er nicht aufstiege,
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